Monatsarchiv: Januar 2012

Panasonic (blau)

1990  –  2001

Das einzige nicht erhalten gebliebene Foto von meinem Rad nicht.

Das einzige nicht erhalten gebliebene Foto von meinem Rad nicht.

Im Sommer 1990 ging ich mit einem Stipendium des DAAD für zwei Jahre nach Japan, um dort japanisch zu lernen und erste Arbeitserfahrung als Praktikant in einer japanischen Firma zu sammeln. Nachdem ich 1985schon über die Japan Foundation einen kostenlosen zwei Wochen Urlaub in Japan machen durfte und restlos begeistert war, waren diese zwei Jahre erst einmal wie die Erfüllung eines großen Traumes. Ich konnte nur 30kg Gepäck mit nach Tokyo nehmen, ein Rad hatte ich ohnehin nicht mehr.

Schon vor dem Flug nach Tokyo hatte ich mit Jürgen Hoffmann, einem Mitstipendiaten, gemeinsam eine kleine Wohnung irgendwie in der Nähe der Sprachschule gemietet. Drei Zimmer in einem älteren aber nicht schicken Holzhaus, ca. 40 m2 mit Dusche und Waschmaschine in der Küche und ohne Klimaanlage. Im Sommer konnte man sich tagsüber in der Wohnung nicht aufhalten. Lernen am Tisch war nur mit Ventilator vor einem aufgestellt möglich und dann mussten Steine auf alles was wegfliegen konnte plaziert werden. Trotzdem war es traumhaft.

Irgendwie wollten Jürgen und ich Räder haben. Jürgen hatte gelesen, dass auf der amerikanischen Base in Yokota billig Rennräder geben sollte, also fuhren wir eines Tages mit dem Zug dorthin. Wir wollten dann auf die Base, wurden aber von Wachposten am Eingang gestoppt. Da wir auch niemanden auf der Base kannten liessen sie uns auch nicht rein. Ich glaube, die Idee einfach so auf die Base zu gehen war auch ziemlich naiv. Also schauten wir uns in der Nähe nach Radläden um. Die Gegend um Yokota ist wirklich eine schöne, klassisches Ami-abhängigen Land, aber zum Glück sprachen dort viele Menschen leidlich englisch, was sonst nicht so der Fall war. Jürgen schlug dann zu und kaufte sich ein „Shogun“ Rad. Nach heutigen Maßstäben war das schon ziemlich scheisse. Ich konnte mich nicht entscheiden und ging ein paar Tage später zu einem kleinen Radhändler in der Nähe von Meguro bzw. Aburamen, den ich über den Lonely Planet Reiseführer gefunden hatte. Den Laden gibt es heute nicht mehr.

Der Laden war winzig und total dunkel. Aber der Mann hatte Ahnung, wie ich im Nachhinein weiß und bestellte für mich bei Panasonic ein blaues Rennrad in meiner Größe. da ging so, dass er mich eine Menge Dinge fragte die ich leidlich verstand und dann ein Formblatt mit dem Fax nach Panasonic schickte und kurz darauf eine Antwort bekam. Das Rad war also bestellt und ein paar Wochen später sollte ich es dann abholen. Das komplette Zusammenbauen fand in dem Radladen statt, Panasonic lieferte nur den Rahmen und die Komponenten, alles andere mußte der Radhändler machen, einschliesslich des Zusammenbauens der Laufräder.

Obwohl ich das Rad über zehn Jahre gefahren habe und dami auch anfing richtig Rennrad zu fahren, gibt es leider gar keine Bilder davon, so dass ich auch nicht emhr genau weiß wie es aussah und welche Komponenten verbaut waren. Für den Preis von 60.000 Yen (also heute etwa 600 Euro) bekam ich aber einen Standardrahmen aus akzeptablem Rohr in dunkelblau mit Panasonic Logo und eine komplette Shimano 600 Trikolore Ausstattung einschliesslich Hakenpedale mit Plastikbügeln. STI Hebel hatte ich da zum ersten Male im Panasonic Ausstellungsgebäude in Tokyo gesehen, an meinem waren allerdings noch Rahmenschalthebel. Ich vermute einmal Sieben-Gang.  Die Kuebelblätter waren Bio-Space, was heute alle bescheuert finden aber damals wie heute total egal war. Es gab keine Ösen zum befestigen von Schutzblechen oder einem Gepäckträger.

Alles in allem war das ein Rad für dass man sich nicht schämen mußte.

Nach dem Kauf mußte ich allerdings nach Hause fahren und ich hatte keine Ahnung wie ich dorthin kam. Also versuchte ich erst einmal zum nächsten größeren Bahnhof, nach Shibuya durchzuschlagen. Von Shibuya aus ging die Inokashira S-Bahnlinie zu meinem Heimatbahnhof Higashi-Matsubara und machte vorher an dem Kreuzungsbahnhof Shimokitazawa halt. Von dem weiteren nördlich gelegenen Großbahnhof Shinjuku ging die Odakyu Linie ebenfalls nach Shimokitazawa. Also, dachte ich wenn ich auf der nördlichen Seite der Inokashira Linie bleibe und immer südlich der Odakyu, dann komme ich irgendwann einmal nach Shimokitazawa.  So fuhr ich irgendwie kreuz und quer zwischen die Bahnlinien bis ich dann drei Stunden später in Shimokitazawa ankam. Ein absoluter, langanhaltender Alptraum. Ich versuchte dann die nächsten beiden Stopps bis zu meinem Bahnhof an der Inokashiralinie zu bleiben, verfuhr mich und eine weitere Stunde sp#ter hatte ich keine Ahnung wo ich war und sprach auf englisch eine Frau an. Die zum Glück auch gut englisch sprach und mir den Weg zum Bahnhof zeigte. Später fand ich heraus, dass ich etwa 200m von meiner Wohnung entfernt war.

Später kaufte ich mir einen Atlas und fuhr häufig damit durch Tokyo und die nähere Umgebung. Eines der ersten Teile, die ich mir für das Rad kaufte war natürlich ein schicker Tacho von Cateye. Mit Rad, Tacho und Atlas machte ich mich dann auf den Weg die Schreine in der Umgebung zu besuchen und sogenannte Ema (das sind Holztafeln mit Motiven des Schreins, auf deren Rückseite man seine Wünsche schreiben mag).  Eine der ersten größeren Touren mit dem Rad führte mich nach Kamakura zusammen mit Tobias. Es dauerte endlos, bis wir den Weg aus Tokio rausgefunden hatten. Wir kamen in Kamakura an, sahen uns die Küste an und fuhren gleich wieder zurück. Da ich so ziemlich das erste Mal in meinem Leben mit Hakenpedalen fuhr, hatte ich mich an einer Ampel auch mal wieder gut auf die Fresse gelegt, als ich nicht aus den Pedalen rauskam. Ich glaube, das passiert aber jedem Mal. Ich fuhr über die Inokashira-Dori nach Masashi-Saki wo meine irgendwie Fast-Freundin Barbara Geschwinde lebte und an der ICU studierte. Nachts auf der Inokashira war trotz vieler Ampeln phantastisch. An einem der Hügel konnte man so richtig schnell runterbrettern.

Ich nahm das Rad dann mit nach Deutschland als in Japan verliess. Am letzten Tag versuchte ich das Rad auseinandernehmen und zu verpacken, es war aber total unmöglich die rechte Pedale abbekommen. Ich habe fast den halben letzten Tag beim Radhändler in Higashi-Matsubare verbracht aber wir haben es auch nicht zusammen geschafft.

Und in der Folgezeit fuhr ich oft von Düsseldorf aus Richtung Ratingen, dann an die Ruhr nach Essen-Kettwig und weiter in das bergische Land; dann zurück über Mettmann und Grafenberg nach Hause. Das war eine 90 Kilometer Runde und mein Ziel war diese in weniger als drei Stunden zu schaffen. Ich hatte mittlerweile eine Radhose und ein Jersey. Heute habe ich einen ganzen Schrank voll, von denen ich vielleicht 2 oder 3 anziehe. Ab und an fuhr ich auch mal damit zur Arbeit nach Essen. DAs war also das Rad, mit dem ich zum ersten Mal mehr als 100 km an einem Stück gefahren bin.

1994 wurde ich dann nach China versetzt und nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland recht schnell wieder 1996 nach Malaysia. Da war dann nichts mit radfahren, obwohl in China mitten auf dem Lande am gelben Fluß in der Provinz Henan, kaufte ich mir in der Stadt Luoyang das teuerste Rad was zu haben war.  Was so ein taiwanesisches oder chinesisches MTB mit einer Suntour Schaltung. Direkt bei meiner ersten Fahrt hatte ich das Pedal aus der Kurbel rausgetreten. Im Workshop auf der Baustelle wurde das noch mal geschweißt, aber es half nichts, das Teil war nach einem Tag hinüber. Ich hätte mir besser doch so ein stabiles Kommunistenrad wie „Ostwind“ oder „Weiße Taube“ holen sollen.

1997 waren wir, mittlerweile zu dritt, wieder zurück in Düsseldorf und dann ging es doch recht schnell wieder nach Japan, wo ich 1997 in Fukuroi, in der Nähe von Hamamatsu anfing zu arbeiten. IN Fukuroi war absolut gar nichts los, Hamamatsu war immerhin eine Stadt von 800.00 Einwohner und riesiger Yamaha Fabrik und JSDF Airbase, so daß es wenigstens ein paar Ausländer dort gab. Ich fuhr morgens mit der Bahn die 30 km nach Fukuroi, ab und an im Sommer auch mit dem Rad. Am Wochenende machte ich meine 60 km Runde rund um den Hamanakako. Ich hatte den Ehrgeiz, diese in weniger als zwei Stunden zu schaffen, was mir aber nie gelang. Auch wegen dem Verkehr, denn das letzte Stück ging durch die ganze Stadt von Süden nach Norden.

Ab und an fuhr ich auch in die Berge, aber davor hatte ich noch zuviel Respekt. Unsere deutsche Freundin Corinna wohnte mit ihrem Mann in einem einsamen Haus in den Bergen und ab und an fuhren wir am Wochenende dort raus. Das letzte Stück war aber viel zu steil um es mit dem Rad hochzufahren. Ich war kein guter Bergfahrer, ich war zwar schnell, aber die kleinen Hügelchen auf der Runde um den Yamanakako nahmen wir schon die gesamte Puste aus der Lunge. Und ich fuhr fast immer alleine und fand keine Freunde dort mit denen ich hätte fahren können.

Ich kaufte mir eine superstabile Luftpumpe aus Gußeisen mit Manometer die ich heute noch besitze.

Ende 2000 wurde ich dann nach Tokyo versetzt. Ich fand das aus radtechnischen Gründen zuerst grauenhaft, denn ich war mitten in dieser riesigen Stadt und es gab einfach keine Gelegenheit einmal in Ruhe und längere Strecken zu fahren. Ab und und fuhr ich mit dem Rad zur Arbeit, besonders Nachts machte das auch Spaß. An den Wochenenden entdeckte ich den Tamagawa und tastete ich langsam Richtung Ome vor. Ome, etwa 50 km entfernt, war aber das höchste der Gefühle und ich fuhr dann meist mit dem Zug zurück.

Dann mußte ich eines Tages im Jahr 2001 zum Zahnarzt in Denenchofu. Ich liebe diese Zahnärztin. Als Zahnärztin war sie mies, wie sich dann nachher in Deutschland herausstellte, aber die Besuche dort hatten massiven Unterhaltungscharakter. Leider darf man beim Zahnarzt, der ganz in der Nähe des Bahnhofes Denenchofu ist, nicht parken. Da sind überall Schilder die darauf hinweisen, dass Räder von der Polizei mitgenommen werden. Zu allem Überfluß gibt es ganz in der Nähe auch noch eine Polizeistation. Also kam ich auf die super Idee mein Rad etwas weiter weg im abgezäunten Bereich eines Hauses zu parken. Ich ging dann erst zur Zahnärztin, dann zur Arbeit und kam im Dunkeln wieder. Da fand ich aber nicht mehr mein Panasonic Rad, sondern nur noch einen Zettel auf em in japanisch stand:

„An den ehrenwerten Besitzer des Rennrades:  Wir haben das weggeschmissen und der Polizei Bescheid gegeben.“

Ich hatte dann nicht den Mummda zu klingeln. Ich mochte da Rad auch, war aber auf der andren Seite auch nicht unfroh, dass mir das die Möglichkeit gab ein neues Rad zu kaufen. Seit einigen Monaten streifte ich nämlich schon in dem „Geronimo“ genannten Ableger von Y´s Bicycles, einer großen Radladenkette in Jiyugaoka rum und starrte mir die Augen aus.

Es war aber immer der Gedanke da, dass ich irgendwann an meinem letzten Tag in Japan einmal wieder zu dem Haus gehe und ihnen aus Rache lange nach der Tat entweder (a) die Scheiben einschmeisse oder (b) das Schloß mit Sekundenkleber zupappe oder (c) einen Briefumschlag mit Hundescheisse vor sie Tür lege anzünde und dann weglaufe. Habe ich aber alles nicht gemacht. Soweit ich mich erinnern kann.

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BMX (Im Prinzip Weiss)

1973 – 1978

Das BMX: Nur Fliegen sind schöner

Das BMX: Nur Fliegen sind schöner

Nachdem es mir nicht gelungen war mein Vaterland durch übertriebenes Tuning in ein einigermaßen cooles Gerät zu verwandeln, bekam ich überraschend die Chance von einem meiner besten Freunde damals, Dietmar Beck ein altes und verhunztes BMX Rad zu kaufen. Vielleicht war es auch, nach heutiger Definition ein Bonanza Rad. Es hatte hinten eine 5 Gang Schaltung mit Schaltwerk. Das Schaltwerk war noch dran, aber der Rest der Schaltung fehlte komplett. Das war aber egal, die Kette lief auf dem kleinsten Ritzel und selbst damit und bei voller Kraftanstrengung kam ich auf maximal 25 km/hr den Berg runter. Mehr war schon aufgrund mangelnder Berge und mangelnder Bremsleistung vorne nicht möglich. Ausserdem lag es auch an der Tatsache, dass der Sattel gefühlte 15cm über der Kurbel lag und an dem Lenker. Der war wirklich einzigartig. Er war wie ein umgekehrt nach oben montierter Rennlenker nach vorne geschwungen, kam dann nach langer Zeit wieder zurück, aber viel zu weit, eigentlich fast bis zum Sattel und endete dann in horizontalen Griffen. Das wäre eine gute Aufgabe für die Statikklausur im Studium gewesen. Aus dem Rohr des Lenkers alleine hätte man bequem einen neuen Rahmen fertigen können.

Das Rad bekam dann erst einmal eine großen, schlecht- und selbstgemachten Aufkleber auf dem der Welt verkündigt wurde:

NUR FLIEGEN SIND SCHÖNER

Das hatte ich mir aus der deutschen Ausgabe der MAD abgesehen, die ich damals köstlich komisch fand. Jedenfalls war das ein völlig abgefahrenes Akrobatikrad mit dem wir bei uns im Garten fuhren auf selbstgebauten Hindernis-parcouren und auf der Straße versuchten Wheelies zu machen. Bei einem Sprung über die zwei Stufen von unserem Garten in den meiner Großeltern passierte es dann: Ich riß den Lenker hoch und der verzog sich dabei dermaßen, das ich mal wieder auf die Fresse  fiel. Der Lenker war dann hinüber so dass ich zu dem Mann mit der dicken Zigarre im Radladen ging und mir einen neuen besorgte. Eben den, der auch auf dem Foto ist.

Unglaublicherweise hatte dieses Rad auch zwei Bremsen, eine Klingel und eine Vorder- und Rücklampe. Das war aber nur der Tatsache geschuldet, dass wir an einem ADAC Radwettbewerb teilgenommen hatten und die Teilnahme war nur mit Verkehrssicheren Rädern erlaubt.Markant ist auf jeden Fall die Position der linken Bremse am Lenker die den Trend heute bei Fixies die Bremse an möglichst unpraktischen Stellen zu fixieren (Vorbau, Rahmen, Handgelenk) um Jahre vorwegnimmt. Vielleicht ist mir auch nur die Bremszughülle ausgegangen.

Wie man auch auf dem Bild sehen kann ist da Rad voll Crosscountry tauglich. Wir haben das in Gladbach vor allem auf der Landwehr getestet, auf dem Foto sitzt mein Freund Stefan Martellock auf dem BMX. Das allerwichtigste aber blieb die Aufgabe auf dem Rad Wheelies zu machen und möglichst lange auf dem Hinterrad zu fahren. Am besten ist mir das an dem Tag gelungen, wo ich den Lenker hochriss und, da ich vergessen hatte die Achse des Vorderrades festzuschrauben, dieses sich verabschiedete. Ich versuchte also möglichst lange auf dem Hinterrad zu fahren, bis die Gabel auf den Boden krachte ich mal wieder auf der Fresse lag.

Andere coole Beschäftigungen mit dem Rad waren Bike Polo, wir hatten ein cooles Set von Plastikcrocketschlägern mit denen wir immer spielten, und einen unserer Freund auf dem Skateboard zu ziehen. Oft fuhren wir zu viert auch Rennen auf unserem Lieblingsparcour am Gesundheitsamt.

Leider begann dann irgendwann und irgendwie doch die Pubertät und coole Beschäftigungen an denen man sich auch dreissig Jahre später noch erfreuen kann (Radfahren, schrauben, mit Freunden über Räder quatschen) wurden ersetzt durch Dinge wie Mädels, Mädels anbaggern und über das Anbaggern von Mädels quatschen. Irgendwie blieb da auch das BMX auf der Strecke und wurde von meinen Eltern entsorgt.
Aber der Lenker, der war ein Wahnsinn.

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Vaterland (blau)

1969 – 1975

Geburtstag 1969: Das erste Rad

Geburtstag 1969: Das erste Rad

1968 wurde ich in die erste Klasse der katholischen Grundschule Marktfeldstrasse eingeschult. Die Schule teilte sich die Sporthalle und den Schulhof mit der Gemenischaftsgrundschule Windberg, die auch über einen eigenen Eingang auf der Lochneralle verfügte. Wir waren die guten Katholiken und die auf der anderen Schule waren die bösen Evangelischen. Um das klar zu machen gab es über die gesamte Breite des Schulhofes einen dicken weißen Strich der unseren Bereich von „denen“ abgrenzte. Wenn einer von denen da drüben es wagte auf unsere Seite des Schulhofes zu kommen, konnte er sich auf eine Tracht Prügel gefasst machen.

Ich hatte eine wahnsinnig nette Lehrerin, Frau Sudhaus, eine respektierte Rektorin, Frau Henneckes und einen sehr strengen Pfarrer Thomas, der uns ab und zu eine zog und sonst mit den Quallen der Hölle drohte. In der vierten Klasse mussten wir bei ihm beichten gehen was ich gehasst habe.

Ich glaube in der 2. Klasse habe ich zu meinem Geburtstag im September ein Rad geschenkt bekommen und durfte damit nach ein paar „Fahrstunden“ mit meinen Eltern rasch allein den Kilometer zur Schule fahren. Ich habe keine Ahnung was für ein Typ das war, der einfachheithalber nenne ich es einmal „Vaterland“, weil damals billige Vaterland Räder sehr verbreitet waren. Meine Eltern hatten es mit mir zusammen in einem Radladen in der Nähe des Schwimmbades in Mönchengladbach gekauft, so dass es am Geburtstag eigentlich keine Überraschung war. Das Rad hatte neben 26 Zoll Rädern den ganzen unnötigen Schnickschnack damaliger Jugendräder. Es war mit einer 3 Gang Sachs Torpedoschaltung ausgerüstet, einem Rücktritt und einer Vorderradbremse, die von oben auf den Reifen drückte. Heute würde ich mich vermutlich weigern, so ein Rad überhaupt anzusehen.

Da wo der Pfeil hinzeigt befindet sich der Leerlauf, der aber im Gegensatz zu den Gängen römisch Eins bis römisch Drei keine Rasterung hatte. Außerdem hatte es eine sehr schicke rote Trinkflasche die in einem sehr schicken Trinkflaschenhalter eingespannt war. Schon bei meinem ersten Rad ging es viel um schrauben , tunen und einstellen. Im Keller hatten wir sehr rudimentäres Werkzeug , wie einen Knochen:

 

Typischer Knochenfund aus den Sechzigern 

Relativ schnell hatte ich einen VDO Tacho am Lenker montiert. Bis heute ist diese unsinnige Vorliebe nicht ohne Tacho auf dem Rad zu fahren geblieben. 

Der ulltimativ coolste Tacho der Siebziger. Die Uhr: Ein Traum nur.

Der ulltimativ coolste Tacho der Siebziger. Die Uhr: Ein Traum nur.

 Um eins gleich klarstellen: Ich hatte nur den Tacho, die Uhr sollte ein ewiger Traum bleiben. Übrigens machten diese Tachos ja langsam, denn die wurden von einer Drahtwelle am Vorderrad angetrieben und verbrauchten damit mächtig Tretkraft. Ich glaube in der Ebene schaffte ich es so auf etwas mehr als Dreissig und den Berg runter vielleicht auf etwas mehr als Vierzig. Aber bei dem Ding war ja eh bei Sechzig Schluß. Wahrscheinlich lief sich sonst die Welle heiß und der Tacho explodierte. Später kaufte ich auch noch Packtaschen dazu für Touren die nie unternommen wurde. Mit dem zusätzlichen Kram ist es also damals schon genauso wie heute gewesen.

Mit Rad und vor allem Tacho fuhr ich fortan zur Schule. Einen Kilometer hin und einen zurück. Irgendwie kam ich so nicht auf viele Kilometer. Also bin ich wie ein Blöder in der Nähe unseres Hauses rumgeeiert aber habe dadurch auch nicht gerade viele Kilometer zusammen bekommen. Warum wollte ich eigentlich Kilometer reissen?  Nun auf dem Schulhof stand ein anderes Rad das den gleichen Tacho hatte und auch etwa zur gleichen Zeit gekauft wurde. Und der Besitzer fuhr echt viel – jedenfalls deutlich mehr als ich und das konnte ich einfach nicht auf mir sitzen lassen.

Mit dem Eintritt in die Fünfte Klasse des Neusprachlichen Gymnasiums an der Viersener Strasse geriet die ganze strukturierte katholische Schulwelt in die Brüche und wurde ersetzt durch einen Haufen junger Lehrer und Referendare, die 1968 auf den Unis waren und die entsprechende Dosis revolutionären Dampf abbekommen hatten, den sie nun in unsere Schule tragen wollten. Wie man kommt nicht in die Hölle, wenn man dem Lehrer einen Schwamm auf den Stuhl legt? Cool, das eröffnete neue Perspektiven und Möglichkeiten. Auch beim Rad. In einer ersten Welle fielen dem Gedanken die ganzen spießigen Schutzbleche, die Beleuchtung und die Vorderradbremse zum Opfer. Ein Radständer war auch uncool aber zum Glück schon abgebrochen. Das Rad sah jetzt, zumindestens aus meiner Perspektive richtig rennmäßig aus, also fast so geil wie die Autos meiner Hit Wheels Bahn.

Ich ging dann öfters zu dem Rad- und Mopedladen auf der Waldhausener Strasse. Die hatten einen großen Ausstellungsraum, hauptsächlich mit Vespas, einen alten dicken Mann der ständig Zigarre rauchte und sich wahnsinnig langsam bewegte und im Hinterhof eine Werkstatt zu der ich mein Rad bringen durfte. Recht fix hatte ich dann billige Felgenbremsen hinten und vorne am Rad.

Aber irgendwann war auch das zu langweilig. Mein Freund Dietmar Beck hatte ein altes BMX zu verkaufen und da schlug ich zu. Ehrlich gesagt habe ich keine Erinnerung daran, was aus meinem Vaterland wurde.

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Motobecane (Grün)

1975 – 1989

Mein grünes Motobecane kurz nach dem Kauf, kurz vor dem Klau.

Mein grünes Motobecane kurz nach dem Kauf, kurz vor dem Klau.

Im Sommer 1975 schenkte mir mein Onkel Horst ein grünes Motobecane Rennrad. Ich fuhr zu ihm nach Frankfurt und holte es mir ab. Damals war es für mich der absolute Traum: Es sah irrsinnig schnell aus, hatte eine 2 x 5 Gangschaltung und sah definitiv besser als die Peugeots und Raleighs aus, die ich als einzig wahrnehmbare Konkurrenz bei meinen Freunden sah. Heute sehe ich billigste Simplex- oder Huretkomponenten, riesige Flügelschrauben an den Rädern und Schutzbleche mit Lampen draufgeknallt und Dynamo hinten links dran. Da ganze kostete fast 200 DM, also etwa den Preis eines guten Sattels heute und ich fuhr damit erst einmal ein Paar Takte in Frankfurt Sachensenhausen rum um die lokale Bevölkerung zu beieindrucken.

Dann ging es nach Kronberg zu meinem anderen Onkel Wolfgang, sozusagen in die Berge des Taunus. Bei einem meiner ersten Versuche bergabwärts zu schalten kam ich auf die selten blöde Idee mit der linken Hand nachzuhelfen als die rechte nicht alleine diese schwergängigen Hurethebel bewegen konnte, schrappte ein paar Meter an der Mauer lang und fiel dann gut auf die Fresse. Die Brille war auch erst einmal hinüber, aber die Mauer steht heute noch und jedesmal wenn ich meinen Onkel besuche und die Mauer sehe, dann denke ich daran wie naiv ich war.

Mein Rad steht übrigens nicht mehr. Jedenfalls nicht bei mir im Keller. Es wurde mir eine Woche später in Mönchengladbach vor dem Kino am Bahnhof geklaut, wo ich es unabgeschlossen hingestellt hatte, um mir einen Film anzusehen. Das war noch blöder als zwei Hände  zum schalten zu nehmen, aber zum Glück war das noch in einer Zeit, als Räder noch in Hausratsversicherungen mitversichert waren und meine Eltern bekamen dann fast die gesamte Kaufsumme von der Versicherung wieder. Ein paar Tage später sind wir zu einem Radladen in Mönchengladbach Neuwerk gefahren und haben ein neues Motobecane gekauft. Eigentlich fast das gleiche.

Mit dem fuhr ich dann ein paar Wochen später wieder zum Kino, wo ich mich mit Eva auf ein romantisches Date verabredet hatte. So jedenfalls meine Vorstellung, ihre waren wohl etwas anders. Oder vielleicht lag es auch daran, dass ich vorgeschlagen hatte „Startrek“ zu sehen`? So jedenfalls meine Erinnerung, stimmt aber nicht, denn Startrek kam erst 1979 raus. Egal – die Geschichte ist aber so besser. Jedenfalls stand ich vor dem Kino und tatsächlich kam auch Eva. Und zwei Minuten später kam auch rein zufällig ihre Freundin Claudia, die sich, wie gesagt,. rein zufällig auch Startrek ansehen wollte. Na, da gehen wir doch alle zusammen! Im folgenden und dunklen passt Claudia dann gut auf, dass sie die beste Freundin Evas blieb und nichts das Glück stören würde. So ca. 30 Jahre hatte ich nicht begriffen, dass das Zusammentreffen der beiden Freundinnen KEIN Zufall war. Erst eines Abends in Japan als ich darüber nachdachte machte es DingDong.

Dieses Rad hat mich dann durch die Jugend gefahren. Nie lange Strecken, immer nur den Weg zur Schule oder zu Freunden. Im Sommer bin ich oft damit zu dem Wochenendhaus meiner Elötern  in Merbeck gefahren. Das war etwa 17 km weit weg und wenn ich schnell war,dann schaffte ich das in einer Stunde. Einmal sind wir von dort aus abends nach Hause gefahren. Meine Eltern mit dem Auto und ich mit dem Rad. Gleich zu Anfang gibt es eine Abkürzung über einen Feldweg, wo Autos nicht fahren konnten. Diese hatte ich genommen und bin wie Eddy Merckx bei Paris-Roubaix so schnell gefahren wie ich konnte um meinen Eltern den Weg abzuschneiden. Da hatte ich auch geschafft und winkte ihnen siegestrunken nach als sie an mir vorbei fuhren. Ich hätte sie mal lieber anhalten lassen denn ich hatte kurz danach einen Platten und konnte mich auf den 15 km langen Fußweg nach Hause machen. Auf dem Weg liegt Das HQ der englischen Armee, in dem damals meine Tante arbeitete (Ziemlich viele Onkel und Tanten die hier vorkommen, aber mehr gibt es auch nicht außer den angeheirateten). Ich ging da gleich zur Polizeistation und erzählte von meinem Missgeschick und daß meine Tante dort arbeiten würde „Can I make a telephone call?“. Ich durfte dann auf der Station eine ganze Weile warten, bis man mir sagte, dass man mir nicht helfen könnte, und ich doch jetzt besser nach Hause gehen sollte denn es würde ja gleich dunkel. Ich schleppte mich dann mit dem Rad nach Hardt zu meinem Freund Uli und der lieh mir ein Rad für die letzten Kilometer des Heimweges.

Als echter Punk war Radfahren nicht angesagt. Und so nahm ich mein Rad dann recht spät 1982 nach Düsseldorf, wo ich meinen Zivildienst im Marienhospital angefangen hatte. Dort arbeitete ich mich innerhalb kürzester Zeit aus dem Keller (Archiv) in das Erdgeschoss (Unfallambulanz) hoch. 1982 ging ich dann nach Aachen zum studieren. Das Rad nahm ich mir und da meine Wohnung recht weit von der Fakultät der Bauingenieure am Königshügel entfernt war, leistete es mir gute Dienste. Eigentlich waren die Bauingenieure von allem weit weg. Geistig in ihrer eigenen Welt, auf keiner Party der Studenten …. total humorlos und mund-. und schreibfaul. Der typische Bauingenieur hatte zwei Bücher im Regal: Den Bronstein, eine Sammlung mathematischer Formeln und ein Werner Comic. Er hatte außerdem eine IKEA Ted Stuhl so daß man, egal wen man besuchte, immer gleich saß. Die Bauingenieure waren derart humorlos, dass einer von ihnen auf dem Heimweg, während ich gerade einen superlustigen Witz erzählte (Sorry, keine Fußnote mit dem Witz hier) und unaufhaltsam auf die Pointe hinsteuerte, mein Stimme anhieb und sagte etwa: „Und dann sagt der Arzt zu der Frau::“ Und just in diesem Moment wurde ich unterbrochen von einem meiner Baufreunde: „Ich muß noch zum Bäcker, tschüss bis morgen!“ .

Um die Witzquelle auszugleichen, hier der kürzeste Männerwitz der Welt: „Kommt eine Frau beim Arzt.“

Ende der Achtziger war ich dann wieder mit dem Motebecane auf dem Weg zur Uni als mir in einer Kurve bergabwärts in voller Geschwindigkeit der Vorbau direkt über dem Rahmen abbrach. Ich hatte zwar noch beide Hände am Lenker, aber da der Lenker nicht mehr in irgendeinerweise mit dem Rad verbunden war, war das auch ziemlich sinnlos. OK, also die Bremskabel waren noch verbunden. Jedenfalls knallte ich mal wieder voll auf die Fresse und hatte noch Glück, daß ich nicht von dem Bus hinter mir überrollt wurde.  

Also ging ich zu einem coolen Rennradladen auf der Harscampstraße und fragte was man da machen könnte. Mein Anliegen war aber für die Besitzer völlig uninteressant, denn leider liessen die sich nicht auf das Niveau eines Motobecame Rades herab. Also Colnagno, Pinarello und Mercier OK, aber Motobecane? Die auch Mofas machten???? Ich blieb hartnäckig, bis einer von denen dort sagte: „Paß mal auf, Teile für Dein Rad haben wir hier nicht. Das ist zwar auch ein Rad, aber der Unterschied ist so groß wie zwischen einem Formel Eins Wagen und einem Trekker, sind auch beides Autos. Und DU hast nen Trekker.“ Den Laden gibt es schon lange nicht mehr und weiterhin kann an der Qualität von Service und Freundlichkeit in deutschen Radläden gearbeitet werden.

Ich ging also zu einem anderen Laden und der verkaufte mir eine neue Gabel. Warum eigentlich, denke ich heute zum ersten Mal, der Vorbau war doch über dem Rahmen abgeschert, das hat doch mit dem Gabelschaft nichts zu tun. Vermutlich kann man eine Gabel teurer als einen Vorbau verkaufen. Die Gabel hatte ich mir selber ausgesucht. Als ich da Rad abholte machte mich der Händler dann darauf aufmerksam, das ich ja unbedingt eine Renngabel hätte haben wollen, auf die meine Bremsen mit langen Schenkeln nicht passen. Also man hätte nur Bremsen können, in dem die Bremsbacken sich in die Speichen bewegen. Der Typ hatte mich aber schon so genervt, dass ich einfach von dannen zog. Zuhause stellte ich die Bremsbacken dann quer, also sie zeigten nicht von vorne nach hinten, sondern von unten nach oben, so dass wenigstens ein Teil der Fläche zum bremsen genutzt werden konnte. Damit fuhr ich dann den Rest meines Studentenlebens in Aachen.

Etwa Vierzehn Jahre, nachdem mir mein Onkel das Rad geschenkt hatte, fuhr ich mit dem Sänger unserer Band „Vichter“ und seiner Freundin Michelle nach Italien in Urlaub. Am Abend vorher tranken wir noch ein paar letzte Weizenbier und Tequilla in unserer Stammkneipe, der Tangente. Gibt es auch heute noch, hatte eben auch immer freundliches Personal das uns schon Mal etwas umsonst gab. Ich gab dann meinem Freund Ralle den Schlüssel zu meinem Rad und bat ihn das am nächsten Tag abzuholen. Etwa drei Wochen später kam ich aus Italien zurück und Ralle hatte vergessen das Rad abzuholen. Und so ist auch da zweite Motobecane geklaut worden. Ralle gab mir dann als Entschädigung sein 26 Zoll Jugendrad das ich nie angepackt in den Keller gestellt habe und  bei meinem Auszug auch wegschmiss.

Ich denke, die meisten Kilometer auf eine Rad werde ich wohl auf dem Cervelo gemacht haben, jeweils über 10.000 2008 und 2009 und dann nach mal 6.000 2010. Das wird mit einem Rad nicht mehr zu toppen sein. Aber noch unwahrscheinlicher ist, dass ich ein Rad vierzehn Jahre lang haben und fahren werde. Das bleibt dem grünen Motobecane vorbehalten. Leider gibt es fast keine Photos von dem.

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Winter Grime

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Lilac Angel for Larissa

Over the last three weeks I assembled this bike for the girlfriend of a cycling buddy in Bremen. He wanted his girlfriend to start riding and she asked for something that looks good and suits her personal taste.

Tobi (the guy) was able to buy an old OLMO Speedy Gonzales dated from 1990 or 91 with a complete Shimano 105 7-speed setup for less than 20.000 Yen. It took me two weeks to deassemble the whole bike, grease all parts, spot-repair some rusty patches and scratches, grease, lubricate and adjust headset and bottom bracket as part 1 of this project.

Larissa wanted to have some combination with black and lilac as the dominant colors and chrome and white in the back. As they are still young and work in poorly paid jobs (hospital, kindergarten) they didn’t wanted to spend too much money. As opposed to professors working in poorly regarded academic institutions that regularly poor thousands of Euros into the garage equivalent of Greece.

We decided on the main components and technical specs and we purchased the necessary spare parts such as chain, cabling, handle bar tape, brake pads, new saddle, Look pedals and new Schwalbe Ultremo tires. In the end we spend less than 35.000 Yen in total on this bike which was somewhat within the budget.

I think the result is a good looking, feminine bike with a sensible design. The main color is black with lilac cables, saddle and tires outlining the contours of the bike. White is the second colour within the triangle of the upper, lower and saddle tube. Design wise everything fits together.

From a technical point of view the bike is now in good shape and the Shimano 105 components work very well. Shifting is smooth and the braking is now super-aggressive. During the project I found out that the outer chain ring had to be exchanged but I was able to buy a NOS Shimano one from the Eighties as replacement.

As the original components were used there were hardly any compatibility issues. Only the truing of the rear wheel took quite along time in order to get the right mix of tension, torsion and trueness in both directions.

If there is one thing I love and hat it is the glossy black handlebar. It looks very good and very sexy – the combination with black leather would be perfect. However it is a pain to wrap the handle bar with this tape from Fizik and I would recommend to use it only with „pure“ handlebars, in other words, don’t try to wrap brake or shift cables with it.

Larissa was happy when she picked it up on Sunday and so was her boyfriend. I had fun doing the consulting and assembly. Having done previously the Pescarolo and the Kotter, this has been the third bike I assembled for someone else. This will never become a work to earn a living, however the combination of doing something with my hands and making people happy is a quite satisfying one.

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