RTF Alpe d’Seevetal

Was passiert eigentlich genau, wenn man sich für rechts entscheidet, alle anderen aber für links? Zum ersten Mal passierte mir das in den Achtzigern im Studium, als wirklich alle coolen Leute nach zwei Semestern entschieden mit dem Blödsinn aufzuhören und dann tolle Karrieren als Schauspieler, Werbeguru oder Arzt machten – oder halt beides wie Peter, der als Schauspieler in „Verbotene Liebe“ den schwulen Werbefachmann Sebastian Adler darstellen durfte.

Nach der Wetterprognose hatte ich so gar keine Lust vo sechs Uhr morgens aufzustehen und in Richtung Hamburg zu fahren. Einerseits. Andererseits geht es in elf Tagen in Richtung Dolomiten und es wäre an der Zeit ernsthaft mit dem trainieren anzufangen. Andererseits. Also, wenn denn so früh, und wenn denn so nass, dann auch die 160er Strecke.

Am Bahnhof zu Bremen traf sich dann eine illustre Truppe der üblichen Verdächtigen (Kommentar: Ich habe leider kein einziges Bild heute gemacht, deshalb muss ich mich mit Agenturfotos behelfen). Caro’s Tochter war ausnahmsweis emal nicht dabei, weil das Stubu bereits zwei Stunden dicht war.

v.l.n.r. Philipp, Andi, Thorsten, Thomas, Silke. Nicht im Bild: Caro, Silvia und Tim (kam später)

Ankunft in Hittfeld am Bahnhof. Viele Bahnhöfe der Provinz sind ja in einem erbärmlichen Zustand, aber so einen schrecklich vollgeschmierten  Bahnhof habe ich noch nie gesehen.

Machen diese Vandalen denn vor nichts halt? Wohl nicht. Schlecht!“

Es hab sogar Abdrücke von Händen an der Wand, mit einem Tag der Seniorenbande „Altenzentrum Seevetal“. Da ist wohl nichts mehr zu retten. Am besten den Bahnhof schließen und nur noch in Klecken halten.

Am Start dann jede Menge Fahrer, ganz anders als in Northeim, vor ein paar Wochen, als gerade mal 30 Leute bei widrigen Wetterbedingungen erschienen. Wir hatten reichlich Zeit und ich ging erst einmal zum Brötchentisch und holte mir Kaffee und ein Schinkenbrötchen. Eins der Mädels dort gab mit aber ein Brötchen mit Pute, und auch als ich sie darauf aufmerksam machte, wollte sie den Unterschied nicht einsehen und wurde schnippisch. „Dumme Schinken“ murmelte ich im herausgehen.

Draußen hingen jede Menge Fahrer rum und mich interessiert ja immer besonders das Design der Trikots und der Räder. Hinter uns stand ein voll mit goldenen Teilen gepimptes Rennrad, es sah aus, als wenn es Mark Cavendish, dem Sascha Hehn des Radsports gehören würde.

Mark Cavendish

Das Radteam aus Buxtehude hatte auch sehr schöne blau-gelbe Jerseys an. Die Hosen waren ebenfalls blau belb, bis auf den Sitzbereich, wo sie komplett schwarz waren. Irgendwie sah das aus wie Reizwäsche und erinnerte mich in den folgenden Stunden an das hier.

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Radhosen, Team Buxtehude

Tja, wenn wenn einmal so Sachen im Kopf hat, gehen die halt nicht mehr raus. Genau wie die Lochis, die den ganzen Tag in meinen Ohren mitfuhren, deutlich gegen meinen Willen [diesen Link bitte auf keinen Fall klicken].

Wir gingen dann in die Startblocks am Sportplatz nebenan, denn die Radler wurden in Gruppen von 20 bis 30 Fahrern auf die Reise geschickt. Wir waren etwa in Startblock D, 9 Bremer und ein paar Andere und so kurz nach neun ging es, im trockenen los. Das Tempo war gut, aber nicht zu schnell und so waren wir ziemlich fix durch die Orte der Umgebung. Die Orte haben wunderschöne Namen, die von norddeutscher Schweigsamkeit zeugen, so zum Beispiel „Stelle“ oder „Over“ (Städtpartnerschaft mit Game in England). Oder die sich hervorragend zur Bennenung von Produkten eignen, es müssen nicht immer Werbeprofis Kunstnamen ausdenken wie „Arcandor“, „Novartis“ oder „DieLochis“, oft reicht ein Blick in die norddeutsche Umgebung. „Glüsing“ zum Beispiel, wäre meiner Ansicht nach ein hervorragender Name für einen Allzweckkleber; könnte man ihn auch schnüffeln, so würde man glüsingen.

Oder wenn ich jemals etwas erfinden sollte, was es bis dato noch nicht auf der Welt gibt, dann würde ich es „das Brackel“ nennen. Es sei denn, es hat irgendetwas mit dem Internet zu tun dann würde es selbstverständlich das iBrackel heißen.

Erste Verpflegungsstation nach 30 Kilometer. Keine lust groß zu halten, Silvia und Tim auch nicht und so rollen wir langsam vor den anderen weiter. Es fängt nun stärker an zu regnen und die Regenjacken kommen raus. Wir rollen so langsam, dass uns Philipp und Andi 10 Meter vor dern nächsten Verpflegung einholen. Philipp hatte einen technischen Defekt, als er ankommt hat er den an Andi weitergereicht.

Dann fahren wir wieder als Gruppe weiter. Und zwar bis etwa Kilometer 73. Die 120er Stecke ist nach links ausgeschildert, die 150er nach rechts. Zu meinem erschrecken stelle ich fest, das ich der Einzige bin, der rechts fahren will. Alle coolen Leute wollen nach links. Und auch die uncoolen. So ein Mist! Die haben jetzt alle Spaß, Abentuer und all diese Dinge und ich kann mich hier weiter alleine durch den Regen kämpfen.

Das mache ich dann auch. Ab und an überhole ich einen einzelnen Fahrer, aber die sind zu langsam, als dass es Sinn machen würde mit denen zu fahren. Langsam arbeite ich mich dann an einen Blau-gelben ran und als ich ihn endlich habe biegen wir links in einen Wald ein, es kommt die fieseste Steigung der ganzen RTF und da er mich gesehen hat zieht er davon. Wieder arbeiten. Dann bin ich endlich dran und überhole ihn, er setzt sich hinter mich. Wir kommen an eine Bahnüberführung und dort liegen bereits zwei andere Fahrer. „Fahrt bloß langsam, ist sauglatt hier!“. Mache ich. Der Blau-gelbe auch. Unterschied: nach dem Bahnübergang fahre ich weiter, während der Blau-gelbe sich lang gemacht hat. Also wieder weiter alleine durch die Heide, in der wir nun gelandet sind.

Wäre Lüneburg ein amerikanischer Bundesstaat, so wäre es Arizona.

Die L212 nach Undeloh.

Schnurrstracksgeradeausmässige Straßen durch die Heide – links und rechts relativ langweiliges Gebüsch. Quasi die Nachwirkungen einer Umweltkatastrophe aus der Jungsteinzeit, als die ehemals reichen Waldgebiete durch Überweidung in ihren heutigen Zustand versetzt wurden. Wenig später war ich mal mit meinen Eltern da, ich muss so 12,13 gewesen sein. ich kann mich nur  noch ein einen sehr, sehr langweiligen Sommerurlaub erinnern, wir hatten so einen Minipool und mussten mit der Pferdekutsche durch die Heide fahren, während mein Vater der Kutscherin irgendwelche peinlichen Witze über Heideschnucken erzählte. Es hat sich nichts verändert in der Zwischenzeit, auch nicht mein Vater.

Nach der nächsten Verpflegung bei 98 km fahre ich alleine weiter, da sind gerade mal 5, 6 Fahrer und alle esen und quatschen, als wenn sie da nie mehr weg wollten. Bei 113 zieht eine schnelle Marathontruppe an mir vorbei und ich hänge mich dran. Dabei ist erstaunlicherweise auch jemand im Wiegetritt Jersey auf einem Basso Rad. Kennt den jemand? Das Tempo ist hoch aber machbar und wir ziehen das durch bis zur nächsten Rast bei km 128. Dort fahre ich wieder alleine vor und werde von der Gruppe wieder bei km 143 eingeholt. Ich hänge mich wieder ran, aber nicht für lange, denn so langsam geht mir nun doch die Power aus.

Jetzt komme ich wieder durch Brackel, Glüsing etc. und weiß, dass es nicht mehr weit bis zum Ziel ist. da ist auch schon der Kreisverkehr, durch den wir gefahren sind, als wir vom Bahnhof Hittfeld kamen. doch was ist das?  Warum kommen mir denn da alle Bremer entgegen? Und keiner hält an? Auf der 120er Runde sind die ja wohl lange nicht mehr.

Später erfahre ich, dass es doch nicht alle waren. Thorsten und Thomas haben auf mich gewartet und der Rest der Truppe muss los, damit sie noch den Zug in Hittfeld bekommen. Wir machen uns auch direkt auf den Weg nach Hamburg Harburg. Eigentlich hatte ich mich auf Würstchen, Kuchen und ein Putenbrot gefreut – aber daraus wird nichts. Ebenso wenig wie aus einem Sitzplatz im Zug. Und wieder angekommen in Bremen regnet es auch noch fies.

Ich schmeiße mich aus den Klamotten und auf das Sofa und sehe mir bei der TdF das Mannschaftszeitfahren an. „Links abbiegen wäre besser gewesen.“, denke ich mir. Dann wäre ich heute vermutlich Internetguru und ’ne halbe Stunde schneller zuhause gewesen.

Danke an alle Mitfahrer.

Strava.

3 Kommentare

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3 Antworten zu “RTF Alpe d’Seevetal

  1. cat6champ

    Mit goldenen Teilen gepimpt… So richtig schlimm? Wie sah das aus?
    Immerhin kann solch ein Por… Rad ja auch „künstlerisch“ und „anspruchsvoll“ sein, so wie das Faggin etwa (oder mein dezent verschönertes Rennrad).

    Die Glüsing-Idee ist gut, aber leider ist darauf zuvor schon jemand anders gekommen; und schippert damit schon ewig Ölerzeugnisse durch Cuxhafen.

  2. Wie schade mit Glüsing, das hätte ich vor dem schreiben besse rnoch einmal recherchieren sollen. Ich weiß, im Süden denkt man „Cuxhafen“ der Logik wegen, tatsächlich ist es aber „Cuxhaven“, analog Bremerhaven, Wilhelmshaven,Eemshaven, Kopenhagen (Dänisch: København) aber: Heiligenhafen.

    • cat6champ

      Ich bin hier nur auf Grund gelaufen. Irgendwann werde ich bestimmt einmal zurück zu meiner Alten Liebe in meinen Heimathaven gespült, der ist aber noch ein Stück elbaufwärts. 🙂
      Ich konnte mir die Schreibweise aber leider noch nie merken. Mir wurde als Kind aber so viel Seemansgarn erzählt, sodass ich praktisch überhaupt nichts mehr glaube – schon gar nicht dass der Windsemaphor https://de.wikipedia.org/wiki/Windsemaphor_Cuxhaven anzeigt, wie viele Bücklinge und Heringe gefangen wurden.

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