
Team Schädlich Unchained: Peggy-Marie; Michael Max-Taro und Ronni Francois (v.l.n.r.)
„It’s cold as hell out these mornings, and you know what the man said, the coldest winter I ever spent was the summer I spent in San Francisco.“
Dieses Zitat wird gewöhnlich Mark Twain zugeschrieben und kommt so in dem Film 48 hours von 1982 mit Eddie Murphy und Nick Nolte vor. Mein kältester Winter, abgesehen von dem Winter 1994/95 in einem ungeheizten Gästehaus bei dem auch noch für eine Woche der Strom ausgefallen war auf dem Land, gottvergessen irgendwo in China (genau hier) , ist definitiv der Sommer 2017 in Bremen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals in den letzten sieben Jahren beim City Triathlon so gefroren hätte, wie heute.
Zunächst war es ja wenigstens noch trocken, als ich um halb zehn in der Überseestadt ankam und begann unser Team zu organisieren. Nachdem wir in den letzten sechs Jahren immer den ersten (vier Mal) oder zumindest den zweiten Platz in der Mixed Staffel mit einem Team der Hochschule gewonnen hatten, waren unsere Ambitionen dieses Jahr deutlich niedriger. Mit dem Hochschulteam war das auch so eine Sache: Als Schwimmerin hatten wir fast immer eine Söldnerin rekrutiert, Philipp, erfolgreicher Studienabbrecher an einer anderen Hochschule (aka Blitzrad, Lulle, Lühmann) übernahm den Radteil und lediglich Janek war wirklich Student, bis er dann graduierte und trotzdem weiter lief.
Die Organisation taten uns dann aber einen Gefallen und eröffneten einen neuen Staffelwettbewerb dieses Jahr und zwar die sogenannte Familienstaffel. Ich bin nicht ganz sicher wie in diesem Zusammenhang „Familie“ interpretiert werden muss, denn in der offiziellen Ausschreibung gab es keine Regelung dazu, aber unserer Meinung nach musste jedes Mitglied der Staffel eine Familie haben und das war definitiv der Fall. Falls wir gefragt würden einigten wir uns zunächst auf die offizielle Sprachregelung, dass ich der erste Mann von Peggy-Marie (Namen wurden leicht geändert um Unschuldige zu schützen) sei und Ronni der zweite.
Peggy-Maria, die das Schwimmen übernahm war mächtig nervös. Ich wollte ihr einen Neoprenanzug organisieren, den mir dann Schnippo netterweise lieh. Zunächst war ich überrascht, dass der Anzug nicht tätowiert war, im Gegensatz zu Schnippo und dann kannte mein Erstaunen keine Grenzen mehr als ich feststellte, dass Peggy so viel mehr Volumen aufweist wie Schnippo. Sie passte zwar in den Anzug, aber das Ding war so gespannt, das jede Bewegung unmöglich wurde. Wäre sie damit in die Weser gesprungen, sie wäre schnurstracks auf den Grund gesunken und hätte dort ausharren müssen, bis sie wieder jemand an die Oberfläche zieht. Zum Glück fand sich dann noch ein Ärmelloser Neoprenanzug für sie.
Ronni-Francois war, wie es typisch für einen Franzosen ist, natürlich wieder die Ruhe selbst. Seit Juli bin ich ja sozusagen unter Vertrag im Werksteam von Wiegetritt; weshalb ich nun erstens umsonst Teamkleidung bekommen habe, und zweitens erstaunlich oft gegrüsst, oder aber ignoriert werde. Ich mag die alten Trikots von Wiegetritt im blau-roten Design sehr gerne, weil man die wirklich auf einen Kilometer Entfernung erkennen kann. Das gibt anderen Menschen genügend Vorwarnzeit mich entweder zu grüßen oder aber zu ignorieren.
Selbstverständlich war heute wieder die gesamte Elite des Rad- und Triathlonsports in Bremen entweder am Start oder wenigstens anwesend. Silvia, Silke und Ina waren wieder als Frauenstaffel dabei, Thomas, Björn und Andres starteten in der Männerstaffel, Tobi und Matthias waren mit ihren Firma unterwegs und daneben sah ich auch noch Jessica, Harald, Marc, Maren, Tim, Schnippo, Bernd, Hans-Peter, Andi, Fr. Holzberger, Elena und dieses kleine Mädchen, dessen Name mir jetzt partout nicht einfallen will. Nicht dabei war diese Frau von Urania Delmenhorst, die letztens bei der Ankunft in der Wechselzone beim Silberseetriathlon erschöpft zusammenbrach und so etwas wie spontane Wehen oder einen sehr überraschenden Orgasmus entwickelte. Während ich so überrascht war, dass ich das fotographieren vergaß, stellte ich heute fest, dass es ja doch ein Foto von ihr in den Untiefen des Netzes gibt:
Die Wechselzone des Staffeltriathlons war heute mal wieder entlang der Kaimauer rechts des Hafenbeckens angeordnet. So ist der Weg für den Schwimmer vom Ausstieg aus dem Wasser zum Wechselplatz relativ kurz, der Radfahrer muss aber sehr lange entlang der Promenade laufen, bevor er sich endlich auf sein Rad schwingen und losfahren darf. Mit normalen Rennradschuhen geht das gar nicht gut; so das ich bereits am MTB Schuhe umgerüstet hatte mit denen man besser rennen kann. 2015 war das noch extremer, da war ich nach dem Laufen bereits so fertig, dass ich gar nicht mehr Radfahren wollte.

In der Wechselzone mit Thomas.
Dann ging es auch schon los. Peggy-Maria war bereits im Wasser und Ronni Francois und ich warteten auf sie in der Wechselzone. Der erste Schwimmer kam bereits nach weniger als acht Minuten aus dem Wasser und so langsam füllte sich die Wechselzone. Es gab das übliche Chaos und Geschreie denn der eine oder andere steht ja da immer irgendwie im Weg um. Wir hatten uns ganz am Ende der Zone platziert, etwa drei Meter von dem eigentlich Radplatz entfernt. Peggy kam an, schaute auf den Platz und sah uns nicht, obwohl wie wie blöd „Peggy – hier!“ schrien. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht, diese Mischung aus Erschöpfung und Verzweiflung war schon etwas ganz besonderes. Ich denke in diesem Moment war sie kurz davor sich irgendein Rad zu schnappen und alleine weiter zu fahren, wenn sie bereits alle Männer im Stich gelassen hatten.
Dann ging es für mich los und mittlerweile hatte es erst angefangen zu nieseln und dann zu regnen. Ich lief mit dem Rad die Kaimauer überholte den ersten Fahrer, der mit Rennradschuhen vor mir los gelaufen war. Dabei schaute ich auf meinen Tacho: 16 km/hr – hm, das würde dann auf Strava den Schnitt ordentlich drücken. Der Sprung auf das Rad klappte auch gut und noch vor der Einbiegung auf die Nordstrasse überholte ich die nächsten beiden Fahrer und legte los gegen den Wind und gegen den Regen. Es war ziemlich anstrengend so etwa 36 km/h zu fahren und das über 3,5 km bis zum Wendepunkt zu halten. Auf der Gegengerade kamen wir bereits die Spitzenfahrer entgegen, die den Wendepunkt umrundet hatten. Etwa einen Kilometer vor dem Wendepunkt sah ich Silke auf der Gegengerade, die also etwa 2 km Vorsprung hatte, das würde ich also schwerlich aufholen können. Auch Thomas und Tobi waren vor mir.

Silke beisst. (c) Andi Arbeit
In die andere Richtung lief es mit etwas Rückenwind dann deutlich schneller mit 40 km/h. Trotz des Regens und der nassen Fahrbahn war ich deutlich zuversichtlicher in den Kurven als viele andere, da kommt einem die Erfahrung aus den Bergen und den OBKMs dieser Welt zugute. In der zweiten Runde wurde ich dann deutlich langsamer auf der Nordstrasse und teilweise ging die Geschwindigkeit trotz Griff in den Unterlenker und Blick auf den Boden auf 33 km/h zurück. Tobi und Thomas sah ich immer noch auf der Gegengerade, d.h. ich hatte nicht so viel Zeit auf die beiden verloren. Und Silke hatte ich auch einen Kilometer abgenommen und dabei noch sechs andere Fahrer überholt. Ich wurde einmal von einem sehr pro-ausgerüsteteten Fahrer stehengelassen, aber war es dann auch. Beim zweiten Mal am Wendepunkt kam der vor mir fahrende zum Sturz. Nasse Fahrbahn und vorne zu stark bremsen ist immer ganz schlecht. Ich fragte ob alles OK wäre, und als es das war fuhr ich weiter. Vor mir überholte ich noch einen weiteren Fahrer aber dann war die Lücke bis zu den nächsten so groß, dass ich nur noch versuchte möglichst viel Power zu geben, um eine gute Zeit zu erreichen.

Full Power. Am Rahmen kann man noch prima die Gülle von der letzten Tour mit Hannes sehen. (c) Andi Arbeit

Thomas liegt auf der AGA Skala (Angestrengter Gesichtsausdrucks Skala) so etwa zwischen Tobi und mir in der Mitte (c) Andi Arbeit
Mein Gefühl sagte mir, dass ich ganz gut gefahren war, aber auch nicht gerad überragend schnell, wozu das Wetter auch etwas beigetragen hatte. Ich ging in die Streckenteilung, bog nach rechts ob, dann wieder nach links um auf der Rampe runter in die Wechselzone zu fahren und da passierte es.
Ich machte etwas was man neuerdings in Bremen als einen „Leichten Balitzky“ bezeichnet. Das heißt ich fuhr über eine Haufen willkürlich angeordneter, gelber Speedbumper die ich nicht gesehen hatte und bei dieser Gelegenheit riss es mir den Lenker aus der Hand. Das Rad neigte sich nach links, ich knallte mit dem Oberschenkel auf den Boden und schilderte ein paar Meter vorwärts, zum Glück Richtung Ziel.
In diesem Momenten ist na ja so mit selbstproduzierten Drogen vollgepumpt, dass man nur noch denkt: „Hoffentlich läuft das Rad noch“ und dann drauf springt und weiter fährt. Ich hatte vielleicht so 30 Sekunden Zeit verloren, aber immerhin konnte ich noch treten,das Rad rollte noch und ich kam endlich in der Wechselzone.
Ronni lief los und ich betrachtete erst einmal meine Verletzungen: Knie, Ellbogen und Oberschenkel waren lädiert, der Schnitt im Knie war relativ tief, so dass ich mich entschied erst einmal zum Verbandsplatz zu gehen.
Die Leute dort waren sehr nett, aber der Verband den sie da angelegt hatten …. überall tropfte das Blut raus und lief am Bein runter, ich sah aus wie eine Mischung aus Boris Karloff und einer Mumie – also etwa wie Boris Becker.

Nach dem Rennen.
Ich war komplett nass, fror und blutete. In Momenten wie diesen bin ich ganz froh, dass meine Familie da war und sich ein wenig um mich kümmerte. Also zog ich mich schnell um und ging dann zum Ziel um Ronni einlaufen zu sehen. Das tat er dann auch recht zackig, insgesamt waren wir etwa 1:14 h unterwegs gewesen und das sollte zum zweiten Platz in der Familienstaffel reichen.

Team Schädlich unchained: Jetzt neu mit Profi-Verband

Siegerehrung Familienstaffel

Silke, Silvia und Ina auf dem 3. Platz in der Frauenstaffel (c) Andi Arbeit
Ein gutes Team und ein gutes Ergebnis – Danke an Peggy-Maria und Ronni Francois, das ihr mitgemacht habt.
Bis zum Sommer 2017.