Der letzte Tag des Giro Dolomiti hatte für alle die noch auf ihre Räder steigen konnten eine brutale Überraschung bereit: Bei hochsommerlichen Temperaturen hoch von Steinmannwald zu den Schneiderwiesen – dort wo die Südtiroler Apfelstrudel geerntet werden.
„Der Aufstieg ist 10,7 km lang und weist einen Höhenunterschied von über 1000 m auf, mit einer durchschnittlichen Neigung von ungefähr 10 % . Der Aufstieg geht durch meist waldiges Gelände, ohne Rast bis zu der Abzweigung nach Kohlern. Von hier ab ist die letzte Strecke (1,5 km) weniger anstrengend. Die Strasse ist gut asphaltiert aber eng. Beschwerlich sind die erste Kehren, die zu dem Ort Seit führen.“
So der Veranstalter. OK, dazu einige Anmerkungen: Der Anstieg geht ohne Rast bis zum Ziel, es sei denn man gibt vorher auf. Und die ersten 6 km bis Seit sind super anstrengend, das stimmt. Und die nächsten 4 km sind dann marginal weniger als super anstrengend. Wenn man das noch irgendwie fühlen kann. Und die letzten 1,5 km sind nur deswegen nicht so anstregend, weil davon 200 Meter relativ flach sind. Eine korrekte Beschreibung wäre daher:
„Der Aufstieg ist 10,7 km lang und weist einen Höhenunterschied von über 1000 m auf, mit einer durchschnittlichen Neigung von ungefähr 10 % . Der Aufstieg geht durch meist waldiges Gelände, ohne Rast bis zum Ende über gut asphaltierte aber enge Strassen. Beschwerlich sind alle Kehren, die zum Ziel führen.“
Der Start war bereits um 7:30 Uhr angesetzt – das war mir zu früh und so machte ich mich um 7 Uhr mit dem Rad von Wolkenstein auf den Weg Richtung Bozen. Das war das erste Mal überhaupt aber meine Familie brauchte das Auto am letzten Tag, da hatte ich keine Wahl und machte mich bei 10 Grad auf den Weg nach unten. Aber: Hui machte das Spaß und ging das schnell ohne Verkehr; für die Strecke bis runter zum Kreisverkehr nach Waidbrück von 22,6 km brauchte ich gerade einmal 27 Minuten.
Für die restlichen 28 km bis zur Messe in Bozen, entlang der Eisack auf dem schönen Radweg war dann noch einmal eine Stunde fällig, so dass ich ziemlich genau eine Stunde nach dem Start am Start war. Statt den regulären Kurs gegen den Uhrzeiger über Eppan, Kaltern und Auer nach Steinmannwald zu fahren, fuhr ich einfach mit dem Uhrzeiger über St. Jakob nach Steinmannwald, wo ich ziemlich pünktlich gegen 9 Uhr ankam, kurz vor dem Feld. Ich fuhr die brutale Steigung vor dem Rennen hoch und wartete auf die anderen Bremer. Kurz danach kam Silke rein, direkt neben der „fucking perfect“ Russin, heute beide in Ale Klamotten gekleidet.

Ale les filles!
Nachdem auch Andreas und Marc vorbei fuhren machte ich mich startklar. Ich hatte ja dieses Jahr bereits einmal versucht auf die Schneiderwiese hochzufahren und war daran gescheitert, also ließ ich es ruhig angehen. Bei den extremen Rampen gerade im Anfang heißt aber ruhig auch nichts anderes als: überleben. Ich wurde von ziemlich vielen Fahrern überholt, unter anderem wieder von dem Zwerg. Das macht der Zwerg auch extra, er startet extra spät und zieht dann am Feld vorbei, um dadurch zu demostrieren, dass Zwerge halt doch die besseren Bergfahrer sind. Was dummerweise auch stimmt. Ich überholte aber auch ein paar Fahrer, nach einer Weile kennt man ja doch viele GEsichter aus dem Feld: Die lila Waldner Girls, die heute rosa Hosenträger tragende flinken Zähne, der Typ mit dem Bambusrad und dem Kokosnuss Helm, wieder einmal die fucking perfect Russin und sogar den „Planet Extreme: Russia“ Russen. Weiter oben ging mir aber zunehmend die Puste aus und ich wurde wieder von fast allen genannten eingeholt. Stefan Franke zog zum n-ten Mal beim Giro an mir vorbei, zuzm n-ten Mal rief ich „Hallo Stefan!“, und zum n+1ten Male wurde ich ignoriert. Ich weiß nicht woran es liegt, aber Stefan Franke ignoriert mich mit einer Penetranz die an Leidenschaft grenzt. Kennt hier jemand Stefan Franke? Werdet ihr auch ignoriert? Kann bitte jemand Stefan einmal ein Foto von mir zeigen und ihm einbleuen: „Beim nächsten Mal freundlich grüßen!“?
Irgendwie kam ich hoch, aber großartig war das nicht. Ich wusste das es am Ende vor dem Ziel noch einmal ein flaches Stück gibt und haute da halbherzig rein – am Ende war ich etwa 4 Minuten langsamer als im letzten Jahr. Aber da war diese Etappe ja auch die erste des Giros und wir hatten noch Saft und Power.

Der toughe Russe vom extremen Planeten Russland.
Oben sind dann schnell alle Qualen vergessen und zwar genau in dem Moment, wo man das Apfelstrudelbuffet sieht.
Großartig – man muss nur schnell genug oben sein, um auch ein Stück zu bekommen. Bermen war heute ohnehin etwas mau vertreten: Silke, Andreas, Matthias, Elena, Marc, Peter und ich hatten uns auf den Weg nach oben gemacht; Sahni und Henning waren nur die Runde um den See mitgefahren und Dietmar habe ich gar nicht gesichtet.Was war eigentlich aus den beiden Delme Cyclern geworden, die hatte ich schon ganz lange nicht mehr gesehen.
Die Abfahrt ging besser und schneller als gedacht. Das war die letzte Chance noch einmal schnell zu fahren und ich überholte auf dem Weg nach unten mehr als hundert. Ich wurde auch ein paar Mal überholt und ein, zwei Mal böse geschnitten- das hätte am letzten Tag noch schlecht ausgehen können. Aber das Glück, was mir bereits seit vielen Jahren hold ist, hielt auch an diesem Tag vorerst an.
Schnell waren wir zurück an der Messe und verabschiedeten uns. Insgesamt war es ein sehr schöner, aber auch sehr anstrengender Giro. Fast zwei Wochen in den Dolomiten zu sein war gut und weniger stressig als die schnelle An- und Rückfahrt im letzten Jahr. Da war aber auch das Gemeinschaftsgefühl größer, was im wesentlich daran lag, dass ich mit meiner Familie 50 km von Bozen entfernt war – da ist es eben aufwändig viel zusammen zu machen.
Wir haben nicht herausgefunden, ob dies nun der letzte Giro war oder nicht – letztes Jahr gab es ja diese Gerüchte. Ist aber auch egal. Das waren jetzt zwei Giros für mich und das reicht auch. Ein viertes Mal den Stelvio hoch? Warum?
Es gibt noch so viele andere schöne Berge und Landschaften auf dieser Welt. Frankreich, Kalifornien, Spanien….mal sehen was das nächste Jahr bringen wird.