So, der letzte Renntag des Giros. Danach sollte es dann nun wirklich Schluss, Aus und vorbei….. sein, wie Space Kelly ankündigte; hing mir ohnehin schon die ganze Zeit in den Ohren.
Aber vorher noch ein Etäppchen: 102 km, 565 Höhenmeter, ein lächerlicher Rennteil von 1,4 km Länge und 165 Höhenmetern. Es ging diesmal durch das Bozener Tal an der Etsch entlang Richtung Süden bis zur italienischen Sprachgrenze nach Salurn/Salorno. Diesmal ohne David, der zwar netterweise noch mit uns frühstückte, sich aber dann auf zum Flughafen machte und mit dem Leihwagen von dort aus nach Verona fuhr.
Wir anderen fuhren zum Start, wo wir uns mal wieder perfekt und stylisch gekleidet, wohltuend abhebten.
Lustigerweise ging es nun auf der Straße nach St. Jakob direkt an unserem Hotel vorbei, d.h. den Weg zur Messe hätten wir uns eigentlich sparen können. Ich dachte, David würde uns vielleicht bemerken und auf unserem Mini-balkon stehen, uns zuwinken, aber vermutlich war er gerade andersweitig beschäftigt. Wir fuhren indessen weiter, überwiegend im flachen, bis nach Laimburg. Dort sollte nun nach 21 km die Zeitnahme des Rennens beginnen. Ich war voll motiviert, nachdem ich, wie ich fand, am Vortag eigentlich ganz gut drauf war. Und als das Tor der Zeitnahme in Sicht kam, spurtete ich dann auch gleich richtig los und überholte den einen und den anderen. Die Steigung zog leicht an und da Tempo wurde ein wenig langsamer, aber da war ja auch schon das Schild „1 km to the finish“ – so „piece of cake (Kuchenstück). Dann wurde die Steigung aber sehr schnell sehr viel steiler. Selbst mit Kompakt 34/28 Übersetzung ging es einfach nicht schneller als mit 7,8 km den Berg hoch. Und es wurde noch steiler. Ich bin beim Stelvio nicht abgestiegen und auch nicht bei der Sella Runde, also Etappen in denen wesentlich länger gefahren wurde und wesentlich mehr Höhenmeter zurückgelegt werden mussten – aber dieser Anstieg killte mich gerade. Ich war kurz vorm aufgeben, was mir aber weniger als einen Kilometer vor dem Ziel irgendwie bescheuert vorkam. Mühsam klammerte ich mich am Lenker fest und trat mich Stück für Stück den Berg hoch. Da, endlich war das Ziel in Sicht. Ich war nicht in der Lage da noch zu sprinten, es war wirklich nur noch ein Kampf um das Ankommen. Das ganze dauerte noch nicht einmal acht Minuten, aber ich war wirklich total fertig. Sicher, wenn das die erste Etappe, und ich frischer gewesen wäre, ja wenn, dann wäre das alles viel einfacher gewesen. Aber wirklich, so einen Anstieg habe ich noch selten erlebt, vielleicht Kazahari Rindo in Tokyo. Man muss aber auch sehen, dass ich da mit 21 Höhenmeter /Minute hoch bin, das ist auch nicht ohne. Die schnellen Jungs und Mädels schaffen das in weniger als viereinhalb Minuten (ca. 37 Hm/min).

Kazahari Rindo in Tokyo (Ausschnitt). Die Mutter aller Anstiege.
Man, war ich froh, als ich oben war. Und da die Ulmis gerade um uns herum standen, fragten wir sie, ob sie ein Foto von uns machen wollten. Sie wollten.
So, damit war dann morgens vor 10 das Rennen beenden, jetzt hieß es noch 80 km durch die Gegend gurken. Nachdem wir von dem Hügel wieder unter waren ging es erst einmal im Flachen weiter Richtung Süden, durch Salurns bis nach Mezzolombardo, wo wir Pause in einer riesigen Kellerei machten. Das muss man sich jetzt nicht so mit Holzfässern und Zwergen vorstellen, sondern wie eine moderne Fabrik mit viel rostfreiem Stahl.
Danach ging es auf der Westseite der Etsch wieder zurück Richtung Bozen, zunächst flach, so dass ich Zeit hatte mich im Feld etwas umzuschauen und über generelle Stylefragen nachzudenken. Ich muss sagen, dass ich vielleicht nicht den Namen, aber die Jerseys der „Eindhoven Pinguins“ sehr schick fand.
Es waren übrigens ein Haufen Holländer und Belgier da. Ein paar Belgier hatten auch sehr schicke Jerseys vom „Royal Antwerp Bicycle Club„, einem Club der bereits 1822 gegründet wurde, mit anderen Worten, außer Mario Cippolini und Helmut Schmidt war da noch keiner von uns geboren. Das schickste überhaupt ist natürlich ein Q36.5 Jersey getragen von „Ihr“.
Anhand der Ergebnislisten kann man ja relativ leicht checken, wer „Sie“ ist. Ups, „Sie“ war 26 Minuten schneller den Stelvio hoch, 8 Minuten schneller im ultimativen Tal und fast 1 1/2 Minuten schneller bei diesem Killeranstieg. Ist definitiv nicht meine Gewichtsklasse.
Nach dem flachen Stück ging es eine letztes Mal den Berg nach Kaltern hoch, die Strecke die wir als Vorbereitung vor dem Giro gefahren sind. Ich kam auf die Idee hier auch mal pinkeln zu müssen, war aber recht weit hinten, fuhr dann eine Strasse rein, die rechts und links Wohnbebauung hatte, musste dann weiter runter bis zum See und mich anschließend durch die Schlange von genervten Autofahrern wieder in den Peloton zurückkämpfen. Der letzte Anstieg, danach ging es dann nur noch runter nach Bozen. An der Messe war alles vorbei, die Stimmung entspannt.
Dort gab es übrigens jetzt auch was zu essen (Pasta) und wir reihten uns in die Schlange ein.
Wir kamen da ins Gespräch mit dem kleinen Gelben aus Hövelshof. Und der berichtete, dass dieses Jahr der Giro zum vorletzten Mal stattgefunden habe. 2016 noch ein letztes Mal, und dann ist Schluss. Aus. Und vorbei. Grund: die Freiwilligen sind alle alt geworden nach 39 Ausgaben und es gibt zu wenig junge Leute die nachrücken und zudem wird auch einer der Hauptsponsoren sein Engagement einstellen. Also, wer noch teilnehmen möchte sollte sich auf das nächste Jahr einrichten. Wir können es nur empfehlen.
Im Hintergrund war eine Bühne aufgebaut und jede Menge Preise warteten darauf verteilt zu werden. Die Preisverleihung begann, als wir noch beim Essen waren und einige der geehrten schleppten wirklich erstaunliche Dinge aus der Halle: Ich glaube in der Teamwertung gab es einen Parmesan Käse als Preis, der war so groß und schwer, dass er nur mit Hilfe eines Holzgestells überhaupt transportiert werden konnte. Wer den gewonnen hatte, der brauchte nie mehr in seinem Leben wieder an Parmesan kaufen zu denken.
Jochen wurde dann im Nachhinein auch geehrt für den dritten Platz in seiner Altersklasse bei dem zweiten Teil des Giros.
Er bekam vielleicht nicht genug Parmesan für’s Leben, aber genug für den Rest des Jahres mit Sicherheit. Wir warten noch auf die Einladung zur Käsefondue Party
Am nächsten Tag ging es nach Hause.
Dauerte ätzend lange, da relativ viel Staus in Österreich und Bayern uns aufhielten. Und dann war auch noch die Strasse nach Hude gesperrt! Und das letzte, nicht asphaltierte Stück zu Silvias Haus kann man ja auch nicht schneller als mit 20 km/h fahren. All dies trug dazu bei, dass wir erst nach 14 Stunden wieder zuhause waren. Hier warteten nun weder EPO-Dirndl Barbie, noch Mademoiselle Jeanne auf uns, um uns zu verwöhnen, sondern Menschen (im Sinne von : Nicht-Radfahrer) denen wir bitte in aller Kürze unsere Reise schildern, damit wir uns dann umgehenst um die in der Zwischenzeit angelaufenen Probleme kümmern. In meinem Fall: Terrasse lasieren, Glühbirnen austauschen, Drucker einrichten, Mathe Nachhilfe geben etc..
Bleibt abschließend noch doof zu fragen:
Hat es sich gelohnt?
Würdest Du das noch einmal machen?
Wie ist das im Vergleich zur Transalp?
Ich denke die Antwort ist ja, ja und ja.
Na gut, dann doch etwas ausführlicher. Ich denke vorher waren wir alle etwas nervös, weil wir ja nicht alle Tage 700 km in sechs Tagen in den Bergen fahren. Und dann auch noch in einer Truppe, in der man mindestens einen nicht besonders gut kennt. Aber, es passte alles, wir waren durchaus jeder für sich fähig den Giro zu überleben und wir harmonierten auch gut miteinander. Im Nachhinein fand ich das super; aber man muss sich eben doch im Vorfeld immer wieder motivieren an so etwas teilzunehmen und dann auch zu organisieren. Es wäre so viel einfacher gewesen wie letztes Jahr wieder am Rad am Ring teilzunehmen (und 2014 hat das auch richtig Spaß gemacht), aber das zusätzliche Risiko zu übernehmen hat sich ausgezahlt.
Würde ich es nochmal machen? Klar, aber wenn dann nächstes Jahr.
Im Vergleich zu der Transalp ist der Giro wesentlich stressfreier, aber auch nicht ohne. Die Transalp ist halt zeitlich länger, von der Distanz her ebenfalls und auch die Höhenmeter sind mehr. Das ist aber nicht der große Unterschied. Der große Unterschied ist, dass man auf der Transalp quasi keine freie Zeit zur Disposition hat: Ortswechsel an jedem Tag, nach dem Rennen massieren lassen, dann zur Unterkunft, duschen, auspacken, Wäsche waschen, dann zur Pasta Party und dann ist es auch wieder so spät dass man besser schläft um fit für den nächsten Tag zu sein. Und das ganze an sieben Tagen hintereinander strengt schon sehr an. Und macht geistig mürbe. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ja das harte Turnhallenpaket bei der Transalp hatte. Wenn ich duschen wollte, dann wollten das auch 200 Andere in einer Turnhalle mit 5 Duschen; wenn ich Wäsche waschen wollte, dann auch die Anderen. Wen ich schnarchte, dann taten das auch die anderen, und davon wachte ich auf. Da war immer Kampf ums überleben außerhalb des Radrennens selber.
Die Transalp ist ja beileibe keine schlechte Veranstaltung, aber wenn ich neben Radfahren noch etwas anderes machen möchte ist der Giro die bessere Wahl. Persönlich fand ich auch die Teilnehmer beim Giro etwas angenehmer, viele von den Transalpmenschen waren doch sehr sehr sehr auf Radfahren fixiert und zu sozialen Kontakten nur noch sehr eingeschränkt fähig („Hey, Deine Sattelstütze ist zu niedrig eingestellt!“).
So, und damit sind hoffentlich alle Fragen, die irgendjemand zum Giro Dolomiti haben könnte beantwortet. Mein Dank geht an Silke, Silvia, David, Jochen und Thomas, mit denen ich gemeinsam fahren, und sie dann in der Konsequent besser kennenlernen durfte. Nichts wird mehr so sein wie vorher.