OBKM 2017. Rennen 2.

Die OBKM, oder Offene Bremer Kriteriumsmeisterschaft ist eine Serie von sechs Rennen auf einem 1 km langen Rundkurs die gemeinsam von Bremer Vereinen organisiert, dieses Jahr zum x-ten Mal stattfindet. Also eine Tradition. Was bedeutet es bei einem Kriterium teilzunehmen und wer kann das?

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(c) fast alle Tim Weber

Prolog

Ein Kriterium ist ein Rennen, dass auf einem Rundkurs ausgerichtet wird. Das hat den Vorteil, dass es für den Ausrichter einfacher zu organisieren ist, die Zuschauer mehr vom Rennen haben und die Strecke sicherer ist für die Fahrer. Der Unterschied zu einem Rundstreckenrennen ist dabei, dass nicht der Erste der am Ende über den Zielstrich fährt der Gewinner ist, sondern dass nach jeweils einer bestimmten Anzahl von Runden (meistens 5) Punkte vergeben werden, 5 für den Ersten, 3 für den Zweiten und jeweils 2 und 1 für den Dritten und Vierten. Beim Endspurt wird die doppelte Anzahl von Punkten vergeben. Wer in der Addition aller Punkte die meisten hat geht als Gewinner hervor, deshalb wird so etwas auch manchmal als Punkterennen bezeichnet.

Für den Ausrichter ist das ein wenig mehr Arbeit, denn er muss jeweils notieren wer auf den vorderen vier Plätzen landet, für die Zuschauer ist das wesentlich spannender, da im Abstand von 10 bis 15 Minuten immer wieder gesprintet wird und für die Teilnehmer ist das einfach sau-anstrengend – sowohl von der Kraft, als auch von der Konzentration auf die richtige Taktik.

Bei der OBKM kommt noch hinzu, dass es eine Serie von 6 Rennen ist, die auf dem Sachsenring in Heilshorn ausgetragen wird. Sachsenring, das klingt zunächst einmal toll, bis man sich bewusst wird, dass man am Arsch der Welt in einem Industriegebiet direkt gegenüber einer Produktion von Müllwagen fährt. Für die ersten zehn in jedem Rennen gibt es 12 bis 1 Punkte, dazu zusätzlich noch 5 Punkte für jede Teilnahme an einem Rennen. Wer am Ende der Serie die meisten Punkte hat ist Bremer Meister.

Das hat schwerwiegende Konsequenzen, denen man sich bewusst sein sollte, bevor man sich entscheidet teilzunehmen:

  • Man muss auf ein Holzpodest steigen.
  • Man bekommt einen Blumenstrauß, der zum Schutz gegen Chemtrails in Alufolie eingewickelt ist.
  • Die Tatsache, dass man Meister wurde, ist innerhalb von einem Tag nach der Siegerehrung keinem Menschen mehr auf dieser Welt in Erinnerung.

Trotz dieser eklatanten Nachteile finden sind jedes Jahr so etwa 50 Fahrer die in ihrer Sucht nach Gefahr, Abenteuer, Ruhm und Ehre so verzweifelt sind, dass sie in verschiedenen Klassen in drei Rennen pro Renntag teilnehmen:

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Jugendrennen. Das ist entweder der Erst- oder Zweitplatzierte. Bin nicht sicher. Fuhren aber auch nur zwei.

Zunächst startet das Jugendrennen (U11, U13, U15 gemeinsam) über 15 Runden. An dem Rennen nehmen jedes Jahr etwa 5 Jugendliche teil die überwiegend von der RRG Bremen kommen. Das ist nämlich der einzige Verein in Bremen der aktiv Nachwuchsarbeit betreibt.  Bei allen anderen Vereinen, wie dem RCB oder Rot-Gold besteht der Nachwuchs ja aus den Dreissigjährigen (auch bekannt als „Coole Kids“), bzw. den Fünfzigjährigen. Bei Rot-Gold lernt man vor allem eins: Kuchen backen für die RTF. Da ist der Verein auf einem Niveau, das niemals von einem andren bremischen Verein erreicht werden wird.

Danach folgt mein Rennen über 25 Runden, dass den latent Leistungsschwachen wie mir ermöglicht auch mal Punkte zu machen und was zu gewinnen: Neben den Fünfzigjährigen dürfen da auch Frauen und Pandas mitfahren. An der Serie nehmen weniger als 10 Fahrer in dieser Kategorie teil, was den Vorteil hat, dass ein Topergebnis garantiert ist. Ich sag nach dem Rennen immer zu meiner Frau „Ich bin Vierter“ geworden und verschweige die Anzahl von fünf oder sechs Teilnehmern.

Das dritte und letzte Rennen geht über 40 Runden und ist ein Jedermannrennen. Es ist mit Abstand das schnellste Rennen und offen für alle Teilnehmer. Ich könnte natürlich auch da mitfahren, aber ich bin doch nicht bescheuert. Erstens sind dann 20 bis 30 Fahrer im Feld, zweitens würde ich da nach 5 Runden hinten rausfallen und drittens lacht sich da vorne links im Bild Caro über das Tempo tot, während weiter rechts die bärtigen und tätowierten Probleme haben überhaupt im Bild zu bleiben. Ich habe lange dafür gearbeitet endlich über Fünfzig zu werden und diese Sonderrechte werde ich mir jetzt nicht mehr nehmen lassen.

Taktik

Strategy & Tactics Cycling Chess on Wheels

Im Gegensatz zu einer RTF oder einem Jedermannrennen a la Cyclassics oder Velothon das zu Beginn einer Veranstaltung entschieden wird (20 km volle Power, hoffen, dass man in der Spitzengruppe bleibt, danach nur noch gemütlich zu Ende fahren), muss man bei einem Kriterium schon etwas mehr nachdenken. Es gibt zwei grundsätzliche Strategien wie man Punkte einfahren kann:

  • In der Runde vor dem Punktesprint in der Gruppe fahren und dann aus der Gruppe heraus versuchen beim Sprint möglichst weit vorne zu landen.
  • Sich im Rennverlauf aus der Gruppe abzusetzen, alleine oder mit zwei oder drei Fahrern, und dann nicht mehr sprinten sondern einfach versuchen möglichst lange vor dem Feld zu bleiben.
    Das Absetzen macht zu einem frühen Zeitpunkt Sinn, da dann die Chance besteht möglichst viele Wertungen mitzunehmen; es hat die höchsten Chancen auf einen Erfolg wenn sich eine Gruppe bildet, die die Tempoarbeit unter sich aufteilt. Alleine ist es bei einem Tempo von ca 40 km/h schwierig lange vorne zu bleiben.

Wird bis kurz vor dem Zielstrich in der Gruppe gefahren, muss man sich zeitlich und örtlich gut positionieren, um den Sprint zu gewinnen. Also an welcher Position bin ich wo in der Gruppe und wann starte ich meinen Sprint?

Ganz vorne zu sein ist gut, da die Strecke dann kürzer ist, aber auch schlecht, weil man nicht sieht wer hinter einem antritt und zu spät startet. Auch gibt es hier keinen Windschatten.

Ganz hinten zu sein ist auch nicht schlecht, da man das gesamte Feld im Überblick hat und sieht wer anfängt zu beschleunigen. Allerdings reicht die Zeit oder Strecke oft nicht mehr aus dann ganz bis nach vorne zu fahren.

Sind Kurven im Spiel oder ist die Gruppe sehr groß, dann muss man auch noch darauf achten, dass man überhaupt die Möglichkeit hat aus der Gruppe herauszukommen und die Kurven mit Tempo durchfahren kann ohne abzubremsen.

Auf dem Sachsenring ist es so, dass die Zielgerade etwa 100m lang ist, davor ist die letzte Rechtskurve. Man muss den Sprint vor der Kurve anziehen, auf den letzten 100 Meter kann man noch mal fünf  Meter gut machen aber viel mehr ist da nicht drin. Schon gar nicht, wenn man nicht mit Tempo aus der Kurve kommt.

Das schreibe ich hier jetzt mit meinen Erfahrungen aus insgesamt vier Kriteriumrennen (drei in Bremen, eins in Japan) und sollte entsprechend gewürdigt werden. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass ich mit jedem Rennen ein besseres Gefühl für die richtige Position und den richtigen Zeitpunkt bekomme. Mit anderen Worten, man kann da viel lesen und sich Gedanken machen, lernen tut man das aber nur auf der Strecke.

Der Renntag

Super Wetter, 26 Grad, endlich. Ich wünschte, ich wäre stressfreier zum Rennen gefahren, aber zeitlich war es sehr knapp und daraus ergab sich eine Kette von Fehlern. Mein schnellstes Rad, das Canyon Positivo, leidet gerade an der Tretlagerknarzkrankheit. Menschen sprechen mich an auf der Strasse und sagen „Für das Rad brauchen Sie keine Klingel.“ Das ist etwas unangenehm, bietet aber die Chance viele neue Bekanntschaften zu schließen. Alle anderen Räder sind nicht schnell genug für Kriterienrennen. Also musste ich knarzend zum und dann anschliessend im Rennen fahren. Da hätte ich auch gleich beim Start zum sprinten mit dem Megaphon rufen können: „Ich leg‘ jetzt los!“ denn das knarzende Innenlager verrät alles.
Ach so, und dann dachte ich, dass eine Trinkflasche genug ist – haha, bei 26 Grad, was für eine doofe Idee; zum Glück haben mich die Eltern von Schnippo vor Ort versorgt.
Letztendlich war ich aber dann doch vor dem Start des Jugendrennens da und traf einige bekannte Gesichter am Start.

Da Jugendrennen mit zwei Fahrern, von denen der eine auch noch deutlich schneller ist als der andere, war naturgemäß eher langweilig.

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Linda beim warmtüddeln für das Senioren/Frauen/Pandarennen

Dann kam das extrem spannende Senioren/Frauen/Pandarennen; extrem spanned und extrem anstrengend, da ich da ja selber mitfuhr. Mir geht immer das Herz in die Hose wenn ich vor dem Start Gesichter sehe die ich nicht kenne, da ich befürchte dass die vielleicht in meinem Rennen mitfahren und eine gute Platzierung verhindern. Meine Sorge war aber unbegründet, es nahmen die gleichen 5 Fahrer teil, die auch beim ersten Lauf dabei waren: Linda, Wolfgang, Reiner, Kai und ich.

Senioren, Frauen und Pandas sind nett zu einander, d.h. wir fahren zügig um den Kurs (38er Schnitt), wechseln uns aber dabei vorne auch ab. Das war bei dem Rennen besonders wichtig, da es auf der Zielgeraden und kurz danach auch heftig Gegenwind gab.

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Beim ersten Sprint nach 5 Runden war ich relativ weit hinten, noch nicht warm und irgenwie auch verpennt. Ich merkte zu spät dass es los ging und fand mich sehr weit hinten, so dass ich gar nicht mehr den Aufwand trieb zu sprinten und Letzter wurde. Jetzt war es nur wichtig  das Loch wieder zuzufahren, dass sich nach dem Sprint aufgetan hatte, denn wenn die anderen jetzt Druck gemacht hätten wäre ich hinten rausgefallen und dann wäre es vorbei gewesen.

Beim zweite Sprint in der 10. Runde war ich weiter vorne, aber der Sprint startete sehr spät, so dass ich nicht die Strecke hatte weiter nach vorne zu kommen und auf dem vierten Platz landete. Da der 5. (Kai) aufgegeben und relativ weit hintern war, mussten wir beide uns dann anstrengen das Loch wieder zuzufahren.

Beim dritten Sprint landete ich wieder auf dem letzten Platz, da ich mich sehr schlecht innen hinten positioniert hatte. Dann fuhr Linda auf der Gegengerade schnell an und riss ein Loch von 20m auf; Wolfgang und ich sprinteten hinterher und wenn wir uns nun die Führungsarbeit geteilt hätten, dann hätten wir uns gut absetzen können. Das kam aber nicht zustande und so waren wir wieder alle zusammen.

Also lief auch der vierte Sprint in der Gruppe und ich konnte mich an vierter Stelle platzieren. Je länger das Rennen dauerte, um so mehr war ich motiviert und meine Ausdauer kam mir nun auch zu Gute.

Den Schlußsprint begann ich an vierter Position liegend und ich wollte gerade am Feld vorbeiziehen, als Wolfgang und Linda ihren Sprint starteten. Das passte perfekt, ich konnte mich hinter die beiden klemmen, schnell durch die Kurve ziehen und einen der anderen noch überholen auf der Geraden durch pure Energie und Kraft. Am Schluß wurde es noch einmal richtig laut: Das Innenlager knarzte was das Zeug hielt und das Publikum feuerte mich begeistert an bei meinem Versuch den dritten Platz zu erobern. Dachte ich. Tatsache war allerdings, dass das Publikum Linda anfeuerte den Sprint zu gewinnen, was ihr auch gelang. Egal, es half. In der Addition wird es vermutlich der Vierte, mit ein wenig Glück der dritte Platz werden. Sehr schön.

Am Straßenrand lernte ich dann die Eltern von Schnippo kennen, die mir anboten mir etwas zu trinken zu besorgen. Das war wirklich sehr, sehr nett. Meine erste Frage an die beiden war:

„Sie sind die Eltern von Schnippo?“ Ich hätte sie überhaupt nie erkannt. Warum sind sie nicht tätowiert?“

Unbenannt

Schnippo (Ausschnitt)

Aber jetzt zum Rennen. Da war ein Feld mit etwa 20 bis 30 Fahrern, teilweise mit Lizenz. Es fahren auch einige RCBler mit wie eben Schnippo, Benjamin, Christian und viele andere die es noch nicht geschafft hatten Fünfzig zu werden.

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Das Tempo war hoch und während sich viele einfach darauf konzentrierten im Feld zu bleiben, setzten sich vorne drei Fahrer ab und arbeiteten einen deutlichen Vorsprung zum Feld heraus. Die holten dann quasi alle Punkte in den Sprints, bis auf die ersten beiden. Und am Ende holten die das Feld ein. Damit war das Rennen relativ schnell gegessen.
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Interessant ist es insbesondere die Gesichter zu sehen und sich darüber Gedanken zu machen, was im Kopf vorgehen mag – als Radrennfahrer muss man das können, damit man den nächsten „Move“ planen kann.

Gesichtsanalyse im Radsport

Gesichter 1

Links: „Muss das hier jetzt so schnell sein, echt.“ Rechts: „So lange der alte Sack da vor mir dran bleibt muss ich wohl auch.“

Gesichter 2

Links: „Ich bin voll der Kannibale!“ Rechts: „Und ich kotz Dir gleich auf das Radschloß.“

Gesichter 3

„Ich wünschte ich wäre 50 und könnte bei den Frauen mitfahren!“

Gesichter 4

„Ha ha ha, die klönen da beim Rennfahren!“

Kurz vor Dunkel ging es dann im Pulk aller Fahrer gemeinsam die 20 km zurück nach Bremen. Durch mein Innenlagerknarzen kam ich mit vielen gut ins Gespräch, ich sollte das wirklich nicht reparieren. Christian und ich nutzten die Gelegenheit zu einem „Ziwi“ (Bremisch für Zitrone-Weizen) im Haus am Walde, alle anderen wollten schnell nach Hause. Ein schöner Tag ging zu Ende.

Strava

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3 Kommentare

Eingeordnet unter 2017, Bremen, Mob, Rennen

3 Antworten zu “OBKM 2017. Rennen 2.

  1. Hannes

    ZiWi kannte ich auch noch nicht, gucke demnächst mal bei Leichen-Elli auf die Karte 😃.
    Bis morgen früh!

  2. Ute Ristau

    Toller Bericht! ! Tolle Platzierung 🙂
    Und wir waren live dabei. Haben seitdem ein Erfrischungsgetränk im Kofferraum, damit wir
    jederzeit sympathischen Radrennfahrern, die sich versorgungstechnisch verkalkuliert haben, das Leben retten können.
    Viel Erfolg für die nächsten Herausforderungen wünschen die Eltern von Schnippo.

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