In diesem Winter, in vielen regnerischen und kalten Nächten, wo ich durch Erkältung und Verletzung an den heimischen Herd gefesselt war, machte ich etwas sehr un-ungewöhnliches: Ich baute ein Rad auf, das No! 3Rensho.
Japanische Räder und Rahmen sind etwas tolles – vor allem dann, wenn man lange in Japan gelebt hat, die Gelegenheit verpasste etwas tolles zu kaufen und nach Deutschland mitzunehmen und nun hier sitzt und dem nachtrauert. Ich hätte ein Cherubim haben können, ein Kalavinka oder ein Quark, stattdessen kaufte ich mir zunächst ein Cannondale und dann später ein Cervelo Solist. Beides waren gute Räder, aber den Preis zahlte ich nachher, als ich mir für viel Geld zunächst einen Nagasawa Keirinrahmen besorgte, der heute eine Wand des Wohnzimmers beschmückt und dann später dazu noch einen Panasonic FCR37 Rahmen, mit dem ich einfach nicht glücklich wurde und der nun hoffentlich jemand anderes froh macht.
Letztendlich kam mir dann die Erkenntnis, dass ein Rahmen ja auch nur aus ein paar verlöteten Stahlrohren besteht, die dann lackiert und mit Aufklebern versehen wurden. Und gute Rahmen gibt es viele. Also nahm ich einfach einen guten Rahmen aus meinem Bestand, schickte ihn zu Yuji nach Berlin und ließ ihn pulverbeschichten. Das Ergebnis war wirklich toll, alles weitere kann man bei Interesse gleich hier nachlesen.
Da das ja kein echter 3Rensho Rahmen ist besteht auch nicht die innere Notwendigkeit diesen mit passenden Komponenten auszurüsten. Die Grenze zum Verbrechen ist bereits überschritten und nun ist alles möglich; oder wie David mal sagte: „I might as well be hung for a sheep as a lamb.“ Meine Idee war grundsätzlich das Ganze so auszurüsten, dass es wie ein modernes Rennrad schnell gefahren werden kann (wobei mir klar war, dass es eben nicht so schnell wie das Canyon Positivo wird), möglichst viel silbrig glänzende Teile hat und ein paar klassische Elemente. Ich wollte seit längerem eine Shimano 11 Gang Schaltung ausprobieren und hier hatte ich nun die Gelegenheit dafür.Außerdem sollte es nicht so teuer werden, dass man Angst haben muss es zu fahren. Ansonsten würde ich wieder das verbauen, was ich immer verbaue, denn es gibt nun doch eine menge Teile zu denen ich keine wirklichen Alternativen gefunden habe. Das Rad ist nun endlich fertig. Fertig? Nun ein Rad ist nie fertig, aber das No! 3Rensho soll mein Schlechtwetterrad werden und es fehlen noch die Testach Schutzbleche von Honjo dafür, die in Deutschland so unglaublich schwer zu beschaffen sind. Da muss ich weiter auf Yuji vertrauen.
Im Detail nun.
Schalten
Verbaut sind Bremsschaltgriffe, Umwerfer und Schaltwerk der aktuellen Shimano 105 5800 Gruppe in schwarz bzw. silber. Da ich die neuen Shimano Kurbeln als viel zu klobig empfinde, habe ich eine Campagnolo Athena Kompakt 50/34 mit Ultra Torque montiert – was natürlich mal wieder nicht ohne das immer verlangte Spezialwerkzeug bei Campagnolo geht.Dieses Mal war es ein langer, 10er Inbusschlüssel – wieder ein Teil mehr in der Werkzeugkiste was nie gebraucht wird (da liegen bereits 3,5 mm, 7 mm und 14 mm Inbusschlüssel die ebenfalls nur für Campa sind).Die Kette ist von KMC und hinten tut eine einfache Shimano 105er 11 Gang Kassette der Abstufung 12/28 Dienst.
Die Zugführung der Schaltung ist, Rahmenbedingt, komplett außen und da es sich um einen älteren Rahmen handelt, auch mittels angelöteten Führungen oberhalb des Tretlagers. Ungewöhnlich, aber es ist nicht so, als wenn die Reibung hier das Schaltverhalten beeinflussen würde.

Die 105er Hebel haben ja nun auch die Zugführung unter dem Lenkerband, ebenso übrigens wie die neue Tiagra – da ist preislich auch fast kein Unterschied mehr.

Shimano 105 5800 Umwerfer mit langem Jahr auf Campagnolo Ultra Torque Athena Kurbel.

Da kommt der 10er Imbus rein.

Am Hinterrad ist alles komplett Shimano. Nein. Die Schalthülle ist von Campagnolo.

Hier kann man das dann auch sehen.
Insgesamt ist die Schaltleistung sehr sehr gut. Es ist eine Menge Arbeit den Umwerfer vorne richtig eingestellt zu bekommen. Shimano arbeitet ja mit einer Schablone die man braucht, je nachdem wie der Schaltzug hebeln soll. Aber wie immer bei neuen Shimano Schaltungen ist das ganze sehr knackig, schaltet schnell und präzise und man barucht den Umwerfer nicht zu trimmen. Die Frage ist natürlich wie sich die Schaltung über Jahre verhält, aber so ist das erst einmal sehr gut gelungen. Ich wünschte das ganze sehe etwas besser aus. Die Shimano Schaltbremshebel sind mir immer noch zu klobig und immer wenn ich das Schaltwerk sehe denke ich an eine Vespa.
Lenken
Verbaut ist ein Nitto Mod. 55 Lenker, eben genau eine der Komponenten zu denen es keine Alternativen gibt. Die Form ist zeitlos schön klassisch, zusammen mit einem sehr kurzen Dia Compe Vorbau (80 mm) wirkt alles gut.
Die Klemmung des Vorbaus hat eine Ausfräsung, dadurch wirkt das ganze noch einmal leichter. Das Lenkerband ist wie immer wenn es farblich möglich ist, Speed Ribbon von BBB, weil das einfach das Band ist, das sich am einfachsten wickeln lässt und später gut aussieht. Völlig unverzichtbar, ich frage ich warum Fizik oder Rose das nicht so gut hinbekommt. Ich habe den oberen Teil schwarz gewickelt, da dies der Teil ist der schnell verschmutzt und da macht schwarzes Lenkerband für ein Schlechtwetterrad sehr viel Sinn. Unten blau, das passt sehr gut zu dem blau des Rahmens. Im rahmen ist ein Tange Steuersatz verbaut. Das Rad ist sehr agil, fast schon zickig, das liegt vermutlich an der Geometrie des Rahmens (der ja auch „Criterium“ heisst). Ich habe jetzt nichts nachgemessen und das kann auch alles Einbildung sein. Jedenfalls reagiert das No! 3Rensho schneller und nervöser auf Lenkbewegungen als andere Räder von mir.
Bremsen
Campagnolo Veloce Bremsen. Beziehungsweise Super Veloce. Unverzichtbar und günstig. Leider seit das aktuelle 2016er Modell von Campagnolo nicht mehr so gut aus, wie die Version davor, weil es eine häßliche Ausfrasung hat die vermutlich etwas Gewicht sparen soll. Oder ist es der Vesuch von Campagnolo die Bremsen „Skeleton-like“ zu machen? Wann weiß es nicht, was die Ingenieure in Vizenca wieder dabei gedacht haben. Zumindest braucht man kein spezielles Werkzeug.
Wie immer lassen sich die Capa Bremsen sehr feinfühlig dosieren und haben viel Power. Die Kombination mit Shimano hat den Nachteil, dass sich die Bremsen nicht entspannen lassen, aber das braucht man ohnehin nur sehr selten und mit ein wenig Druck bekommt man auch 25er Reifen raus- und wieder reingedrückt, wenn es unbedingt sein muss.
Rollen
Die Laufräder bestehen aus Shimano 105er Naben in schwarz – Novatec wären auch eine Alternative gewesen, aber klassische Kugellager, wie sie Shimano weiterhin verwendet, bieten unter dem Aspekt der Wartung viele Vorteile im Gegensatz zu Industrielagern die man selber nur schwer austauschen kann. Vorne und hinten links sind DT Swiss Revolution (d 1.6 mm) und hinten rechts DT Swiss Competition (d 1.8 mm) Speichen verbaut, auch das ist eine bewährste Kombination zusammen mit Messingunterlegscheiben in der Nabe und Messingnippel. Das gibt nach meiner Erfahrung sehr haltbare Laufräder, die etwas abkönnen und wenig nachzentriert werden müssen. Dazu Araya SA-730 Felgen mit 32 Loch, die ich schon lange einmal verbauen wollte. Die Felgen bieten viel bling bling, nachteilig ist jedoch, das sie, wie alle Aerofelgen, keine Ösen haben, was langfristig auf die Zentrigkeit Auswirkungen haben könnte. Darauf sind Challenge Strada Reifen 700x25C montiert, um wenigstens etwas Komfort zu haben. Ich mag Reifen mit Naturflanke und einem leicht gerifelten Profil. Sicher, Continental 4000 ist haltbarer, sieht aber sehr klobig aus.
Bei den Laufrädern gibt es nichts zu mosern. Die Bremsflanken sind zwar nicht gerifelt sondern ganz glatt, aber nach ein paar Kilometern haben sie sich auch gut eingebremst. Hochprofilfelgen geben naturgemäß wenig nach, so dass Rahmen und Räder sehr steif sind, das macht sich bei Kopfsteinpflaster schon bemerkbar. Für die normale Aufahrt reicht das aber.
Kontaktpunkte
Neben dem Lenkerband, sind das der Sattel und die Pedalen. Ich stelle gerade alle meine Räder auf das Shimano SPD System um, nachdem ich sehr lange SPD SL und Look Keo gefahren bin. Für das reine fahren sind das, meiner Ansicht nach, alles gleichwertige System, aber für den Alltag ist das SPD am besten, denn man kann leicht ein- und ausklicken, mit den Schuhen richtig gehen und muss nicht alle drei Monate neue Cleats kaufen. Meine alten Schuhe haben noch die Originalcleats seit 1999. Hier jetzte nmal Shimano XT. Der Sattel ist ein blauer Selle San Marco Supercorsa auf einer silbernen DIXNA Stütze aus Japan. Der Supercorsa sieht gut aus, passt farblich zum Rahmen und die DIXNA Stütze lassts ich wunderbar leicht in der Neigung adjustieren. Wenn man sie erst einmal montiert hat, was eine Qual ist, da braucht man mindestens fünf Hände für.
Hinten dran baumelt ein japanische „O-Mamori“ der für die nötige Sicherheit im Verkehr sorgt. Funktioniert bislang sehr gut. So gesehen ist das ganze bequem, aber nicht übermässig. Schwer vorstellbar damit mehr als 100 km zu fahren, was einerseits am Sattel, andererseits an den Laufrädern liegt. Und vermutlich habe ich die Schaltbremsgriffe etwas zu tief montiert, denn ich sitze zu gestreckt auf dem Rad und fasse unwillkürlich immer kurz an den Vorbau. Für die Stadt und kleinere Ausflüge reicht das aber alles.
Gallerie
Insgesamt ist das ein gelungener Aufbau mit dem ich bereits einige Kilometer gefahren bin. Das No! 3Rensho ist vielleicht 5-10% langsamer als das Canyon Positivo, das reicht aber für die normalen Club Ausfahrten durchaus. Es war auch viel Glück dabei, dass der Rahmen so positiv ist, denn das weiß man ja nie wie sich das Teil als ganzes verhält, bevor alles zusammengeschraubt ist. Jetzt fehlen nur die Schutzbleche und dann kann das miese norddeutsche Wetter kommen. Und wo ist das schreibe fängt es prompt an draußen zu regnen.