„Als mob.tokyo eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er links von seinem Bett seinen van Herwerden Rahmen zu einem ungeheuer schönen 3Rensho verwandelt.“
Warnung: Das ist kein 3Rensho Rahmen, so wie dieser Song kein Liebeslied ist.
Bei meinem ersten Aufenthalt in Japan 1990-92 kaufte ich mir schnell ein Panasonic Rennrad und war glücklich und zufrieden.
Während meines zweiten Aufenthalts 1998 bis 2010 in Japan hatte ich mich mehr mit japanischen Rädern auseinandergesetzt, das bleibt nicht aus, wenn man dort mit Japanern Rad fährt und an Rennen teilnimmt. Trotzdem kaufte ich mir zunächst ein Cannondale und später ein Cervelo.
Eyecandy

3Rensho Rahmen, will sagen van Herwerden Criterium Rahmen japanisiert.

Alle Anzeichen eines Siebziger Rahmens. Die Pulverbeschichtung nimmt weniger von den Rahmenkonturen weg, als ich befürchtet hatte.

Die charakteristischen 3Rensho Decals an den Gabelscheiden – wegen der ovalisierten Form seitlich angebracht.

Viel Spaß beim Ausmalen von Muffen.

Tretlager mit oben liegender Schaltzugführung

Hinten natürlich auch. Plus Campagnolo Ausfallenden.

Keine Pantos.

3Rensho Logos

Noch mehr Logos

Noch mehr Muffen
Einführung [ggf. bitte überblättern]
Das erste Mal, dass mir ein japanischer Rahmen auffiel, war auf einem Rennen in Mastuda – und dort ging das Team Cherubim an den Start. Noch heute könnte ich mir in den Hintern beissen, dass ich die damals nicht angesprochen habe, bevor Cherubim berühmt und bekannt wurde. Später las ich den Roman „The accidential office lady“ von Laura Kriska. Abgesehen davon, dass dies einer der besseren Romane über Japan aus Sicht einer Ausländerin ist, gibt es auch einen schönen „Radteil“. Laura wird Mitglied in einem Radklub rund um den Rahmenbauer Kalavinka. Später auf den Rennen der JCRC traf ich dann Rahmenbauer wie Hosoyama von Quark/Futaba oder das Ravanello Team.
Eine sehr gute Sammlung aller japanischen Rahmenbauer gibt es auf der Website von Tokyo International Cyclists.
Ich fand das interessant, aber nie interessant genug, um mir ein japanisches Rad zu kaufen. Als ich 2010 wusste, dass ich Japan verlassen würde und es sehr fraglich war ob und wann ich wieder einmal zurückkommen würde, spielte ich noch einmal mit dem Gedanken ein Rad zu kaufen. Geld war da, die Zukunft in Deutschland erst einmal gesichert und im 40 Fuß Container war auch noch Platz. Aber wie so viele Dinge, die ich unbedingt noch machen wollte, bevor ich Japan verließ (den Fuji endlich mal besteigen, unter anderem) habe ich auch dieses nicht vollbracht. Andere habe ich noch geschafft, so bin ich an einem Tag von Yokohama (wo ich wohnte) bis nach Hamamatsu (wo ich zunächst in Japan gewohnt hatte) gefahren, um die Punkte Anfang und Ende wieder miteinander zu verbinden.
Das ist auch alles nicht weiter schlimm.
Als ich dann in Bremen anfing an alten Rädern zu basteln (mein erster Rahmenkauf war ein Gimondi!) fokusierte ich mich recht schnell auf italienische Rahmen. Muss mal was mit der Genetik mütterlicherseits zu tun haben. Und dann kam langsam so das Interesse an japanischen Rädern wieder. Ich fand es sehr erstaunlich, dass eine stinknormale Marke wie Panasonic in Deutschland so eine unglaubliche Wertschätzung hat. Das ist etwa so, als wenn Japaner sagen würden „Wow – ein Rad von Siemens – geil!“, denn Panasonic ist eher als Massenelektronikhersteller denn als Radfabrikant bekannt. Oder dass Keirin Rennen und Räder so einen Kultstatus hier besitzen. 90% der Besucher eines Keirinrennens sind alte Männer mit filterlosen Zigaretten, schlechten Zähnen und einer Büchse Schnaps in der Hand – man denke in etwa an Wolfgang Schäuble. Da ist wirklich nichts mit Kult.
Egal. Zunächst legte ich mir ein Panasonic zu, später dann ein Nakasawa Track Bike. Das Panasonic habe ich wieder verkauft, das Nakasawa hängt im Wohnzimmer. Diese Räder sind an den großen Ansprüchen gescheitert, mit denen sie versehen sind. Das Panasonic war echt teuer und es hat unheimlich lange gedauert, bis ich es über den Pazifik nach Bremen bekommen habe. Es ist ein gutes Rad, aber so gut ist es nun mal auch nicht. Und als ich das Nakasawa bei einem Händler in Kawasaki entdeckt hatte – wow, ich war soooo happy. Und es ist auch ein gutes Rad. Es hat aber keine Bremse, Pech. Irgendwann sollte ich es mal umbauen.
Ich wollte nun endlich mal ein japanisches Rad haben, ohne viel Geld ausgeben und lange warten zu müssen. Also schnappte ich mir einen guten Rahmen und machte den zum Japaner. Und zwar genau diesen:
Das ist ein van Herwerden Criterium Rahmen, aufgebaut mit einer kompletten Campagonolo Nuovo Record Gruppe. Die Gruppe habe ich verkauft und dann wusste ich zunächst nicht so recht, was ich aus dem Rahmen bauen sollte. Bis die japanische Idee kam. Van Herwerden ist ein traditionsreicher Radhändler in Den Haag (sportieve fiets!) der u.a. die Marke Duell vertreibt. Ich hatte den Laden mal besucht und mit dem gegenwärtigem Eigentümer John van Herwerden geredet. Früher haben sie noch ihre eigenen Stahlrahmen bauen lassen, teilweise in Italien, teilweise bei Jan van Daalen, der heute noch die Duell Rahmen herstellt.
Ich vermute einmal, dass dieser Rahmen noch in den Niederlanden und nicht in Italien hergestellt wurde, ganz simpel aus der Tatsache, dass er ein BSA Tretlager hat. OK, er hat auch Campagnolo Ausfallenden andererseits. Der Rahmen hat keine Pantos, eine verchromte Gabel und sonst nichts außer Aufklebern, an denen sich eine Identität festmachen könnte. Es eignete sich also ganz hervorragend, um es in einen 3Rensho Rahmen zu verwandeln.
3Rensho
3Rensho ist die Marke von Yoshi Konno, einem lengendären japanischen Rahmenbauer. Über 3Rensho habe ich schon viel auf diesem Blog geschrieben, zum Beispiel hier. Eine große Auswahl an 3Rensho Rädern kann man im PedalRoom bewundern – aktuell 79. Konno hat auch eine Zeit lang für Specialized Allez Rahmen gelötet. Die sind jetzt fast noch seltener als die 3Renshos selber.
Wie viele große Künstler (Van Gogh, Raymond Chandler, Klaus Kinski) oder Sportler (Fransiska van Almsick, Lothar Matthäus, Tony Simpson) war auch Yoshi Konno nicht unbedingt ein strikt logisch denkender Mensch außerhalb seiner Profession. Im Klartext heisst das: ziemlich viel Klare von Morgens bis Abends, dann irgendwann einmal Autounfall, Querschnittslähmung und Schluss mit dem Rahmenbauen. Die spätesten 3Renshos die ich kenne sind etwa von 1987/88. Selbst auf dem japanischen Web sind keine Infos vorhanden, wann der Unfall war und wie es dann weiter gegangen ist. Der Oberchef von Cherubim, Shin-Ichi Konno ist mit Konno Yoshi verwndet, es ist aber nicht sein Vater. Das ist Hitoshi Konno, ein weiterer Rahmenbauer. Ich glaube Yoshi war sein Bruder, bin aber nicht sicher.
Das hier, ist meiner Ansicht nach das archetypische 3Rensho: Es muss in diesem hellen blau sein, denn auch wenn es 3Renshos in vielen anderen Farben gegeben hat, so ist dass die Farbe die für mich typisch ist – weil sie auch sehr gut zu den gelben Decals passt.
Zweitens, dicke, gelbe 3Rensho Aufkleber gehören auf die Gabelscheiden. Und drittens, das 3Rensho Logo klebt an mindestens drei Stellen auf dem Rahmen.
Auf dem Steuerrohr, auf dem Oberrohr rechts und links in der Mitte und auf dem Sitzrohr.
Die Verwandlung
[garantiert nicht von Kafka]
„Als mob.tokyo eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er links von seinem Bett seinen van Herwerden Rahmen zu einem ungeheuer schönen 3Rensho verwandelt.“
Nein, ganz so einfach war es nicht. Ich schickte meinen Rahmen zu Yuji von Klovesradeln, damit er was daraus macht. Wir einigten uns auf neon-blau „pulvern“ statt nasslackieren, da es an dem Rahmen ohnehin keine Pantos gab, die man hätte verschmieren können. Dann ging der Rahmen in eine Pulverei in Berlin. Einmal, kam zurück, hatte Schäden, dann noch mal. Hatte beim zweiten Mal wieder ein paar Schäden, also noch einmal. Dann war es OK und nun machte sich Yuji daran die Decals zu platzieren.
Ich wollte zuerst noch eine Schicht Klarlack über den Decals haben, aber als ich die ersten Photos von dem strahlendem Rahmen sah gaben wir diesen Plan auf. Und eigentlich wollte ich die 3Rensho Decals auf den Gabelscheiden nach vorne zeigend haben. Dann wäre aber wegen den ovalen Gabelquerschnitten nur ein Teil davon von vorne zu sehen gewesen, also machte Yuji die dann an die Seite.
Dann kam der Rahmen zurück zu mir. Das Ergebnis fand ich schon richtig gut und nicht so teuer. Ich machte mich nun daran die Muffen auszumalen. Das braucht Geduld, zumal der Lack von der Pulverbeschichtung bei weitem nicht so einfach mit den Fingernägeln zu entfernen ist, wie es auf Naßlack der Fall ist.
Jetzt ist das Ding erst einmal fertig und harrt darauf was kommt.
Rahmen Spec
- van Herwerden Crtiterium, Siebziger Jahre
- Sitzrohr c-c 60 cm
- Oberrohr c-c 59 cm
- Steuerrohr 180 mm
- BSA Tretlager
- Bremszugführung am Oberrohr unten, offen, zwei Ösen
- Schaltzugführung über dem Tretlager
- Einbaubreite 100 mm vorne, 126 mm hinten
- Campagnolo Ausfallenden
- Flaschenhaltern am Unterrohr
Ach so, ich weiß schon ziemlich genau was kommt. Da wird ein Neo-Retro Aufbau mit einer fast kompletten Shimano 105 11-fach Gruppe drankommen. Bis auf die Kurbel, das geht ja nun einmal gar nicht. Araya Aero Felgen. Concor Supercorsa Sattel in blau.
Ach ja und Schutzbleche von Honjo. Das wird mein neues Winterrad. Mit einem echten 3Rensho würde ich vermutlich nie im Winter fahren (darum hängt ja auch mein Nagasawa im Wohnsimmer an der Wand). Mit dem hier schon.
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Wirklich wunderbar geworden! Gibt es für die Farbe eine RAL Nummer? Sieht wirklich toll aus!
RAL weiß ich leider nicht, beim Lackierer hiess das „Neon Blau“
Aber frage mal Yuji von Klovesradeln.de, der hat die Lackierung für mich in Berlin organisiert und ist auch sonst sehr hilfsbereit.