Tagesarchiv: 26. November 2017

UCI Cyclo Cross Worlcup Verdun 1917. Nein, Zeven 2017.

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Das größte Radereignis in Bremen und Umgebung ist weder das Sechstagerennen im Januar, noch das Jedermannrennen Velotörn im September. Übrigens auch nicht das Montagstraining des RCBs, falls das jemand denkt. Das größte Ereignis ist der Cyclco Cross Worldcup Lauf, der seit letztem Jahr in Zeven stattfinden. Ich fuhr hin.

Mein Interesse an Cyclocross war bislang so groß wie an Sportarten bei denen sich Menschen mit ähnlicher Geschwindigkeit über das Feld bewegen, also etwa Schach, Halma oder die Fußballer des SV Werder Bremens. Es hält sich in Grenzen. Matthias meinte aber, dass ich unbedingt einmal mitkommen sollte, nachdem ich mein letztes Cyclo Cross Rennen im Oktober 2010 in Pellen’s Park gesehen hatte. Sieben Jahre später sieht die Crosserwelt schon ganz anders aus.

Während der Nacht hatte sich Nebel über Bremen und das Umland gelegt und die Luft triefte nur so vor Nässe. Wasser war nicht nur in der Luft, nein auch auf meiner Brille, in meiner Jeans und sammelte sich seit Wochen auch im Boden. Alles was nicht aus Asphalt oder Beton gebaut war, war in den letzten Tagen zu Matsch geworden. In Zeven angekommen, betraten wir das Gelände auf einer als Grasfläche getarntem Schlammloch. Aber das muss wohl so bei Cyclo Cross Veranstaltungen so sein und gehört zum besonderen Flair. Die eine Hälfte der Zuschauer hatte Gummistiefel und trug Kleidung für Feldarbeit im Herbst, die andere Hälfte war am fluchen und zitterte. Wir konnten nun einen ersten Blick auf die Strecke werfen.

So ein Cyclocross Rennen hat nun schon ein paar Vorteile, verglichen mit einem Straßenrennen. Also erstens, ist die Strecke recht kurz, nämlich in Zeven nur 2,8 km; und dann ist sie auch noch so aufgebaut, dass man zu jedem Punkt recht schnell hingehen kann. Irgendwie wirkt die Streckenführung in eigenwilligen Bahnen über eine ehemals grüne Wiese recht willkürlich; als Zuschauer lernt man dies aber zu schätzen, da man über die gesamte Dauer eines Rennens von unter einer Stunde etwas zu sehen hat.

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Das Streckengelände in Zeven

Insofern ist der Unterhaltungswert recht hoch, im Gegensatz zur, sagen wir mal, der Tour de France, wo man irgendwo an der Strecke steht, den Peloton mit 40 km/h in nicht einmal zwei Minuten vorbeiflitzen sieht und dann wieder nach Hause fahren kann.

Unter Umständen kann es aber auch eine gute Idee sein, nach zwei Minuten wieder nach Hause zu fahren, und zwar dann, wenn man bei 3 Grad plus  knöcheltief im Match steht. Daher 1:1 zwischen Straßen- und Cyclo Cross Rennen.

Was mir auch noch sehr gut gefallen hat ist die Nähe zu Fahrern und Geschehen. Wir konnten einfach ins Fahrerlager gehen und uns die Räder aus der Nähe anschauen. Es gab sehr viele neongelbe Trek Crosser – das sind dann auch die einzigen, die nach 50 Metern auf der Strecke noch als Trek Räder zu erkennen sind – schwarze Rahmen mit kleinen Logos haben mit zwei Kilo Schlamm drauf keinen Wiedererkennungswert mehr. Irgendwo vor ihrem Trailer trainierte die Weltmeisterin Sahne Kant, während ihr Vater die Laufräder aufpumpte und die Mutter Autogramme verteilte.

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Auch der Rollentrainer einer Weltmeisterin steht im Matsch, damit sie sich an die Strecke gewöhnt.

Das U23 Rennen war zu diesem Zeitpunkt bereits vorbei, die letzten Fahrer mit blutunterlaufenen Augen und verdreckten Schnauzbärten fuhren gerade ins Ziel.

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Ich stand am Ziel und wartete auf den Start des Frauen Eliterennens. Die Frauen fuhren sich gerade auf dem kurzen Stück Asphaltstrecke im Start/Zielbereich warm – keine war so verrückt einen Ausflug in den Schlamm zu wagen.

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Etwas mehr als 50 Fahrerinnen waren im Start und stellten sich in der Eiseskälte auf. ein paar Minuten vor Beginn flogen die Trainingsjacken im hohen Bogen aus dem Feld heraus zu den Betreuern, die am Rand warteten. Ein schönes Bild, aber leider kein Foto davon. Um 13:33 Uhr ging es los und die Frauen fuhren auf die Strecke.

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Am Start, als die Mädels noch voller Kraft waren und sich Ihre Laufräder auf dem Asphalt drehten, sah das noch alles sehr kraftvoll, schnell und dynamisch aus. Das änderte sich aber sehr schnell nach ein paar Runden, als die Sportlerinnen in Schrittgeschwindigkeit durch die Schlammlöcher fuhren und absolut keine Power mehr hatten. Während vorne leistungsfähige Fahrerinnen wir Sanne Cant, Helen Wyman und Kathie Compton vergleichsweise mühelos durch das Gelände robbten, taten sich insbesondere im hinteren Feld tiefe Abgründe des Leidens auf. Als Vater einer Tochter, die ebenfalls Leistungssport betrieben hat und nur unwesentlich jünger ist, werden da  unwillkürlich Beschützerinstinkte ausgelöst. Manche von den Mädels sahen aus, als wenn sie gleich anfangen würden zu heulen.

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Hinten Leid …..

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… und vorne Freud.

Cyclocross erinnerte mich an ein Straßenrennen in Zeitlupe, denn teilweise bewegten sich die Mädels in Schrittgeschwindigkeit über die Strecke. Oder in Laufgeschwindigkeit unter ihren Rädern.

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Unterm Rad (aber nicht Hermann Hesse)

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Runterlaufen …..

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… oder doch runter fahren?

Ich sehe das bestimmt total falsch. Kyclo Kross Kenner (KKK) mögen mir einmal erklären warum; also warum ist bei Cyclo Cross Rennen die effektive Reifenbreite von der UCI seit 2010 auf 33 mm beschränkt? Das macht es schweren Fahrern gerade bei schlammigem Untergrund extrem schwierig schnell zu fahren. Klar, jetzt könnte natürlich das Argument kommen, es soll ja schwer sein, denn es ist ja Sport. Sicher. Cyclo Cross wäre sicher noch schwerer und sportlicher, wenn keine Schaltung verwendet werden dürfte, die Hände über Kreuz am Lenker greifen, und eine halbtransparente Augenbinde verwendet werden müsste.

Ich finde es vor allem deswegen unlogisch, weil in dem immer populärer werdendem Segment der Gravel Bikes, viele Räder bereits vom Werk aus mit 35 oder 40 mm breiten Reifen ausgestattet sind – weil so etwa nun einmal abseits des Asphalts Sinn macht.

Die meisten Mädels kamen auch im 32er Reifen ins Ziel. Sanne Cant war deutlich besser als anderen und wurde Erste, dahinter dann Nash und Wyman.

So langsam wurde es dunkel und der Höhepunkt nahte, das Rennen der Herren mit Cyclo Cross Superstars wie Mathieu van der Poel, Wout van Aert und, äh, Kevin van Pauwels. Um ein männlicher Cyclo Cross Star zu werden muss jemand grundsätzlich drei Voraussetzungen haben: Er muss Belgier oder Holländer sein, ein „van“ im Namen haben und mindestens einen Eltern- oder Großelternteil haben, der sich in der Ruhmeshalle des Radsports verewigt hat. Mathieu van der Poel z.B. ist der Enkel von Raymond Poulidor.

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Raymond Polydor, der Mann, der nie die Tour de France gewinnen konnte.

Bei den Männern ist die Leistungsdichte deutlich höher als bei den Frauen. Vor allem bei den Belgiern, die 13 der ersten 20 Plätze belegten, bevor den Plätzen dann die Belgier ausgingen.

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Startaufstellung bei den Männern. Schnauzbärtige Schweden ganz hinten.

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Insgesamt sind die Männer schneller, aber am Ende des Feldes, bei den Polen und Schweden war auch jede Menge Leid zu sehen. Es gewann van Aert, so dass wir an diesem Tag zum dritten Mal die belgische Nationalhymne hörten.

Natürlich ist so ein Cyclo Cross World Cup auch ein soziales Ereignis und wir trafen halb Cyclo-Bremen an der Rennstrecke. Das war prima. Danke an Lisa und Matthias für das mitnehmen.

Wir sehen uns nächstes Jahr in Zeven wieder an der Strecke. Auf der Strecke eher nicht.

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Ein schönes Video, wie es ist über die Strecke zu fahren gibt es hier.

 

 

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