Historisches geschah am 18. Mai in Bremen: Zum ersten Mal konnte ein Radrennen auf der Mercedes Teststrecke am Werk in Bremer Süden ausgerichtet werden. Wir waren sowohl als Laden, und auch als Teilnehmer präsent.
Fairerweise will ich gleich zu Beginn erwähnen, dass bereits in den Neunziger Jahren der RSC Rot-Gold Bremen auf der gleichen Strecke mehrfach seine Vereinsmeisterschaften ausrichtete. Ob es sich um die 1990er oder die 1890er handelte weiß ich leider nicht. Und auch Solidarität Arsten wurde da bereits öfters auf dem Parkplatz gesichtet.
Ich liebe die von Bremer Vereinen ausgerichtete OBKM Rennserie alleine schon deswegen, weil alle Buchstaben der Abkürzung OBKM auch in meinem Namen vorkommen; schaufelt man das M nach vorne, sogar in der richtigen Reihenfolge. Außerdem habe ich da mal vor zwei Jahren zwei Rennen in meiner Altersklasse gewonnen und in der Jahresabrechnung den 3. Platz geholt – soviel Erfolg hatte ich noch nie sonstwo. Im Radsport, denn beim Schach machte ich mal den 2. Platz beim Schülertunier 1976. Gewonnen hatte damals Heiner Otten, das verzeihe ich dem bis heute nicht, weil der 1) auch noch älter war, 2) ein tolles Kleinkraftrad besaß und 3) aus aus eben diesen Gründen auch eine hübsche Freundin.
Egal, also das OBKM wird von den Bremern Vereinen RCB, RRG und RSC Vegesack ausgerichtet. Wen die Abkürzungen verwirren und wer sich fragt, warum Bremen mit seinen 27 Rennradfahrern ca. 41 Vereinen hat, der schaue für eine logische Erklärung kurz hier nach. Genauso gut kann man sich allerdings auch die Ergebnisse der bremischen Bürgschaftswahl von letztens ansehen.
Normalerweise sagt man ja am Ende eines Blogs immer Danke für dies und das, aber ich möchte das gerne mal am Anfang machen, weil ohne dass hier ein paar Menschen aktiv geworden wären, hätte es das alles nichts gegeben. Also Danke insbesondere an Uwe Burmester, der das fast alles alleine auf die Beine gestellt hat und immer schön realistisch nach vorne getrieben hat.
Nachher sagen dann immer einige wenige Danke, die Mehrzahl schweigt und einige wenige monieren dann dies und das: Das erste Rennen startete zu spät, der Puderzucker über dem Schokokuchen war nicht gleichmäßig verteilt und einer der Mercedes Mitarbeiter schaute immer so grimmig. Man sollte solche Dinge nicht organisieren, wenn man erwartet, dass andere Menschen dann dankbar sind – das passiert nämlich nicht. Man sollte diese Dinge organisieren, wenn man weiß, dass man das richtige tut, scheißegal was die anderen denken. Und meckern darf man nur, wenn man als Ehrpartner oder Kind zu dem Rennen geschleppt wird und eigentlich viel lieber Schuhe kaufen, Bier saufen mit den Kumpels oder Eiscreme schlecken würde. Die Erfahrung zeigt, bevor jemand Danke sagt, sagen fast alle: „Oh wie schade, warum machst Du das nicht mehr?“ wenn du mal mit den Sachen aufhörst.

Oh Gott – schau Dir mal die Streusel-Normalverteilung an!
Ich dachte ich leiste auch meinen Beitrag zu dem Tag und bot an Reparaturen und Service am Streckenrand anzubieten. Da ich das das erste Mal machte dachte ich, nimm mal lieber einen Mechaniker mit, bevor da jemand mit einen Rad ankommt das ich technisch nicht reparieren kann, weil es nach 1998 gebaut wurde. Aber hey – ich kann supertoll und superschnell Mafac Mittelzugbremsen von 1976 ausrichten.
Außerdem zerbrach ich mir den Kopf, welches Werkzeug und welche Ersatzteile ich wohl mitnehmen sollte. Am Ende hatte ich quasi den ganzen Laden dabei – ich hätte glaube ich, auch eine mechanische Ultegra Schaltung an Ort und Stelle durch eine elektronische austauschen können. Und was passiert? Genau, nichts. Ich musste so ca. vier Mal Luft aufpumpen, eine Mavic Hinterradbremse ausrichten und das war es auch schon. Tatsächlich hat sich so gut wie niemand an unseren Stand getraut. Deshalb würde ich hier noch einmal gerne versichern, dass wir eigentlich ganz nette Menschen sind und vor allem größtenteils harmlos.
Es gab an diesem Tag drei Rennen, zunächst startete die Jugend. Sebastian meinte recht treffend, dass ein Jugendrennen eine recht sinnlose Veranstaltung ist, wenn alle Teilnehmer aus dem gleichen Verein kommen. Die kennen sich gut und wissen bereits am Start, wer das Rennen gewinnen wird. So war es dann auch – fast. Aber ein Jugendrennen sorgt natürlich auch für mehr Zuschauern in Form von Müttern und Geschwistern, was einer solchen Veranstaltung gut tut.
Anschließend startete das Jedermann Rennen. In den letzten Jahren war das Jedermannrennen das Rennen für Frauen jegwelchen Alters über 16 (?) und Menschen über 50, also das Rennen für alle die nicht schnell fahren können oder wollen. Also für mich. Diesmal gab es da keine Beschränkung, jeder konnte mitfahren, der keine Lust hatte sich im anschließenden Eliterennen voll zu verausgaben. Also ich.
Der Kurs ist ja zum Glück recht einfach gestrickt, so dass die Gefahr von Stürzen sehr gering ist. Das Rennen selbst ging über 20 Runden, jede vierte Runde wurde am Punkte gesprintet.
Nach dem Start ging es in die wenigstens ein wenig technische Kurve, dann eine lange Gerade gegen den Wind, gefolgt von einer Steilkurve, die problemlos am unteren Rand mit voller Geschwindigkeit gefahren werden kann. Dann ging es auf die sehr lange Zielgerade bis man nach ca. 1,3 km einmal rum war. Kurz gesagt, eine reine Powerstrecke, die aber den Vorteil hat, dass man nicht abgelenkt von der eigenen Unfähigkeit Kurven fahren zu können, sich voll auf die Positionierung im Sprint konzentrieren kann.
Das Jedermannrennen startete mit 19 Teilnehmern, was vermutlich OBKM Rekord ist. Allerdings waren die Leistungen der Fahrer sehr unterschiedlich, so dass relativ schnell vier bis fünf aus dem Hauptfeld gefallen sind. Vorne drehte Christoph Kuske unbeeindruckt seine Runden, da er deutlich besser war als alle anderen zusammen auf der Strecke.
Ich hatte an meinem Rad eine Videokamera montiert um das Rennen aufzunehmen. Der Plan war, parallel Daten mit dem Wahoo zu sammeln, also Leistung, Herzfrequenz, Trittfrequenz, Geschwindigkeit, Nervlevel etc. um diese dann in das Video zu schneiden – aber so weit bin ich technisch noch nicht. Und der Wahoo war es auch nicht, da ich vergesse hatte ihn zu laden. Jasper V macht das alles auf Youtube sehr professionell und lehrreich, da lohnt es sich reinzuschauen. Hier mal ein Beispiel:
Für das Video benutze ich eine Ghost X Drift, auch ein Tip von Jasper. Mir ist völlig unverständlich, warum sich Menschen für viel Geld ein aerodynamisches Rennrad mit 80 mm Hochprofilfelgen kaufen, um wirklich das letzte Quentchen Leistung hemmungslos auf den Asphalt bringen so können:
Und dann eine Minute später diesen unförmigen, teuren Kasten namens GoPro an eben diesem Rad zu montieren:
Das kostet mich doch locker 3,7 Watt bei 45 km/h! Die Ghost Drift X ist dagegen schön klein, aero, mit €180 auch vergleichsweise günstig und macht auch ausreichend gute Video.
Im ersten Video können wir den Start des Rennens sehen. Ich stehe ziemlich weit hinten im Feld, da ich zu spät zum Start gekommen bin. Und hier kann man gleich sehen, wie Rennen gewonnen werden, und zwar durch schnelles Einklippen in das Pedal, Position in der Innenseite der Kurve und beherzten Antritt. Also, nicht das ich gewonnen hätte, aber in der der ersten Kurve bin ich immerhin bereits in vierter Position.
Ich fahre fast immer Shimano SPD System an meinem Rennrad – zur Erinnerung, das ist das MTB System von Shimano – das Rennradsystem heißt SPD-SL. In MTB Pedale kann man beidseitig einklicken, in Rennradpedale (Shimano, Look, Time) nur einseitig. Dauert einfach zu lange. Außerdem ist es auch nicht-Pinguinen möglich nicht wie ein Pinguin mit MTB Schuhen zu laufen, während man mit Rennradschuhen immer so rumläuft, als wenn man gerade einen Schlaganfall hatte, den Gleichgewichtssinn verlor und droht nach vorne überzukippen. Und zu guterletzt, halten die stählernen MTB Cleats unter den Schuhen ewig. Die schraubt man einmal runter und eher gehen die Schuhe kaputt als die Dinger. Ein Radhändler der Austauschcleats dafür im Laden hat ist naiv. Die Plastikteile von Shimano SPD-SL und Look muss man aber dummerweise zwei Mal im Jahr tauschen, wegen Abnutzung und weil man wieder besseren Wissens mit denen rumgelaufen ist. Und wenn man mit einem abgenutzten Cleat fährt ist das wirklich gefährlich, wie ich leider auch einmal selber erfahren musste.
Es wird nun behauptet, dass man mit dem MTB System keinen guten Stand auf dem Pedal hat, dass man damit nicht genug Druck auf die Kurbel bekommt und, das ist das schönste, dass man damit die Kurbel nicht gut hochziehen kann. Das mag ja alles bei Profis richtig sein, aber für den Durchschnittsfahrer der schon ein paar Watt Leistung verliert, wenn es nur auf sein Rad steigt, spielt das alles keine Rolle.
Gerade das „Ziehen am Pedal“, also Druck beim runtertreten des Pedals und Ziehen beim Hochheben, gehört sowieso zu den ewigen Lügen im Radsport. Sowas machen nur Menschen (gut und lange) die bereits als Kind im Verein trainiert haben und richtig gute Rennrad fahren können. Das sind aber mit Abstand die wenigsten Menschen die ich kenne. Die meisten haben spät mit dem Rennradfahren angefangen und die Ziehen nicht. Ich mache das nie. Es se denn ich konzentriere mich unheimlich und schaffe 10 Umdrehungen Drücken und Ziehen und dann verliere ich wieder die Konzentration oder die Lust und Drücke nur noch.
Wo wir gerade dabei sind, die anderen ewigen Lügen des Radsports sind:
- Aus der neu entwickelten Oberfläche der Carbonfelgen von (beliebige Marke hier einsetzen) ist die Bremsleistung im Trockenen und im Nassen nun endlich genauso wie bei Alufelgen.
- Diese Regenjacke ist nicht nur absolut wasserdicht, sondern sie ist auch so atmungsaktiv, dass man nicht in ihr schwitzt.
Aber zurück zum Rennen. Ich hatte mir für den ersten Sprint direkt nach dem Start eine gute Position erkämpft.
Im nächsten Video kann man den ersten Sprint nach der 4. Runde sehen. Christoph liegt ohnehin weit vorne und es geht nun um die Plätze 2 bis 4.
Der blaue Fahrer fängt viel zu früh an in den Wind zu gehen und den Sprint anzuziehen. Mit mir hängen sich dann gleich vier Fahrer an ihn ran und es gelingt ihm nicht von uns weg zu kommen. Nach etwa 20 Sekunden geht einem der Verfolger die Luft aus und er gibt auf. Ein paar Sekunden später hat auch der blaue keine Luft mehr und ich kann an ihm vorbeiziehen, jetzt sind noch drei Fahrer vor mir und dummerweise hat der grüne auch eine Lücke aufreißen können.
Der Grüne sieht nun, dass der schwarze vor ihm den 2. Platz machen wird und gibt den Sprint auf. Wenn ich jetzt noch mehr Geschwindigkeit gehabt hätte UND direkt rechts vorbeigegangen wäre (man kann im Video gut das kurze Zucken nach links verfolgen) UND das Ziel noch mal 10 Meter weiter weg gewesen wäre, dann hätte ich ihn noch überholt. Da das aber viel zu viele UND und wäre sind, hat es nicht geklappt. Aber gut, als 4. habe ich schon einmal einen Punkt im Sack.
Ich würde jetzt gerne noch Videos von den weiteren Sprints posten. Aber beim nächsten hatte ich einfach noch nicht genug Luft und ging den gar nichts an. Nach der 12. Runde habe ich es noch einmal versucht, aber da war einfach die Kondition nicht da. Da dämmerte es mir auch, dass da nicht mehr viel zu holen sein wird und ich fuhr nach 12 von 20 Runden raus. Hätte an sich auch schon nach 4 Runden rausfahren können.
Alles in allem eine sehr gute Veranstaltung, die mit großer Wahrscheinlichkeit Ende September wiederholt werden wird – ich freue mich schon darauf.
Cooler Beitrag!
Da ich vor kurzem auch auf dem Rennrad MTB Pedalen montiert habe möchte ich noch einen Nachteil der SPD cleats hinzufügen: 2 anstelle von 3 Schrauben. Sollte sich eine davon lockern dreht sich recht fix der gesamte Cleat beim Versuch auszuklicken mit. Kann man durch entsprechend kräftiges anziehen verhindern aber da ich auf den spd sl auch schonmal eine Schraube verloren habe und ohne Probleme die Fahrt zuende bringen konnte, doch eine unangenehme Erfahrung.
Aber die Vorteile überwiegen mMn deutlich.
Wenn man entsprechend steife Schuhe verwendet und die Pedalen richtig einstellt sind die physikalischen Performanceunterschiede vermutlich bis tour de france Niveau irrelevant.
Diese Ghost X Camera schaut wirklich interessant aus, auch wegen dem Preis. Zum Thema SPD, mit den SPD Pedalen hat man wenigstens einen guten Stand und kann laufend vorwärts kommen. Anders als die politischen Gesinnungsgenossen. *lach*
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