Ich hatte mir vorgenommen, das schönste Damenrad überhaupt zu bauen. Das wäre aber zu einfach gewesen und daher nahm ich mir vor, es nur aus dem zu bauen, was verstreut in Kisten und Regalen im Keller liegt.
Jegliche Überlegung zum schönsten Damenrad überhaupt fängt an mit zwei Punkten, die es zu verbinden gilt. Der erste Punkt, der gesetzt wird, ist der Rahmen, auf den alles aufbaut. Und der zweite Punkt ist die Frau, für die es gebaut werden soll. Dazwischen gibt es eine Linie, die, wie bei Frauen üblich, nicht unbedingt eine Gerade sein muss, und sich verschlungen durch die auszuwählenden Komponenten, Farben, Funktionen und Vorurteile windet.
Punkt Eins.
Aus einem Sommerschlußverkaufüberraschungspaket hatte ich noch einen günstig erworbenen Chesini Gran Premio Damenrahmen übrig, der aber vom Lack her in einem echt miesen Zustand war. Den gab ich zu Yuji von Klovesradeln in Berlin, der zum gemeinsamen Andenken an den italienischen Arktisforscher Umberto Nobile arktisblau nasslackieren ließ.
Das ist der dritte Chesini Rahmen, der mir in die Finger gekommen ist. Ich habe vor drei Jahren einen Gran Premio zu einem Rad für meinen Sohn umgebaut. Das das Rad immer noch in Gebrauch ist und funktioniert, zeigt die hohe Qualität des Rahmens. Einen weiteren Criterium Rahmen habe ich 2012 an Hiroshi von C-Speed nach Japan geliefert. Chesini ist für mich ein Teil der kleineren, unterbewerteten, italienischen Rahmenbauer der Achtziger und Neunziger: Vicini, Vetta, Milanetti, Basso, Bottecchia und wie sie alle heißen. Während viele dieser Rahmenschmieden heute entweder gar nicht mehr existieren, oder aber nur noch als leere Markenhülle in einem Konzern, sind die Familienunternehmen Chesini und Basso weiterhin aktiv. Chesini, 1925 gegründet, sitzt in Verona und nachdem Hiroshi seinen ersten Chesini Rahmen von mir gekauft hatte, nahm er Kontakt zu den Eigentümern auf und ist seitdem so etwas wie der Generalimporteur von Chesini in Japan. Ich denke, dass heißt immer noch weniger als zehn verkaufte Rahmen pro Jahr, aber bitte. Letzten Sommer hat David von Positivo Espresso Chesini in Verona besucht und darüber drei längere Blogposts geschrieben (Teil 1, Teil 2 und Teil 3).
Chesini hat, meiner Ansicht, einen guten Mix von alten und neuen Produkten. Sie machen immer noch klassische Stahlrahmen basierend auf alten Entwürfen, wie zum Beispiel das X-Uno; andererseits haben sie aber auch einige Carbonrahmen und etwas für die Singlespeed/Fixie Szene im Angebot.
Ebenso bunt wie das Angebot ist auch die Qualität des ganzen. Manche Räder sind für mich einfach „over the top“, vor allem die Pantos, man merkt, das Chesini nicht allzu weit von der Oper in Verona entfernt ist. Trotzdem gibt es noch genug schönes zu entdecken.
Verona und Chesini sind als der erste Punkt.
Punkt Zwei
In der letzten Zeit habe ich eine ganze Menge Räder für Frauen gebaut, unter anderem für Silvia, Cobra und meine Tochter. Meine Frau fährt bereits seit ewigen Zeiten ihr japanisches Panasonic Elektrorad (wenn überhaupt) und das Thema ist bei ihr damit völlig ausgereizt. Bei ihr gilt die Formel N = n-1, (N ist die Anzahl der Räder die man braucht, und n die Anzahl die man besitzt) weil sie auch weiß, dass Sie sich notfalls bei mir bedienen kann. Ich müsste mich also jetzt anstrengen eine Haufen neuer Frauen kennenzulernen. Das ist gar nicht so schwierig, denn in meinem Body Attack Rumhüpfkurs im Sportstudio gibt es eine Menge sportlicher Mädels, die sicherlich ein neues Rad gut gebrauchen könnten. Aber das will ich alles gar nicht. Meine Frauenkennenlernkapazität wird im Jahr bereits erschöpft durch die jährliche Versorgung mit neuen Studentinnen und zunehmend auch durch die Freundinnen meiner Tochter. Beides leider keine typischen Radkundengruppen.
Punkt 2 muss also bestimmt werden. Ich sollte eine Frau sein, die dem Luxus nicht abgeneigt ist.
Was ist Luxus? Die Definition von Wikipedia hilft da nicht wirklich weiter. Ich lese gerade ein Buch von Clotaire Rapaille, den ich einfach großartig finde. Er ist genau der Typ eines Franzosen, den ich wegen Aussehen, Charme und Akzent so wahnsinnig sympathisch finde, andere wären Jerome Bouhet, Dr. Pradeaux aus Xiaolangdi und Philippe, alle aus meinem Bekanntenkreis, sowie Jean-Louis Trintignant oder Charles Denner – ach ja und die Parodie eines Franzosen durch John Oliver). Eine guten Eindruck gibt dieses Video wieder (ab ca. 31:00). Gerade erscheinen ist das Buch „The Global Code“ von Clotaire Rapaille, und das gibt einen guten Hinweis auf da, was Luxus wirklich ist: „Persönlich für jemanden mit den Händen hergestellt.“ Luxusgüter sind das Gegenteil von dem, was Millionenfach ohne Variation in China hergestellt, und in gleichen Kisten (Containern) nach Europa transportiert wird, wo es dann jeder kaufen kann. Es passt niemandem so richtig, aber allen gut.
Ich denke, eine tolle, „luxuriöse“ Frau für dieses Rad wäre Brigitte Fossey (gewesen). Das wäre dann auch Epochengerecht zum Rahmen.
Morgen Teil II: Die Linie.