Tagesarchiv: 13. Juni 2015

Sold: Viner Black Viper

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Mein Großvater väterlicherseits murmelte in seinen späten Jahren oft, unterstützt von seiner Familie, etwas von dem „goldenen Mittelweg“. Ich weiß nicht, wie ernst er das meinte, denn sein goldener Mittelweg führte ihn in den Jahren 1941 bis 1944 nach Russland. Mein Leben ist bislang definitiv nicht auf dem Mittelweg verlaufen; allerdings finde ich das Konzept der Mitte in der Balance zwischen Aussehen, Funktionalität und Kosten kein schlechtes. Ich baue gerne Räder, die gut aussehen, nicht so viel kosten, als dass man sie nicht mehr bewegen möchte und die sehr funktional für ihre Benutzer sind.

Wie ein Aufbau wird entscheidet sich in der Regel durch den Kauf eines Rahmens, denn man gibt nicht hunderte von Euros für einen Cinelli Rahmen aus, um dann eine Shimano 105er dranzubauen und umgekehrt montiert man keine Campagnolo Deltabremsen  an eine desolate Kneipengurke für Herbst und Winter. Mein Herz gehört daher, den vielen kleinen, italienischen Herstellern von Stahlrahmen, die oft sehr gut aussehen aufgrund von Lackierung, Chrom und Details, eine gute Qualität bieten und kostengünstig zu haben sind. Zu diesen Herstellern gehört VINER.

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Vielleicht hatte Viviano Nerozzi nicht an die Globalisierung gedacht, als er 1947 anfing in Pistoia bei Florenz Rahmen und Räder zu bauen und seiner Marke den namen „ViNer“ zu geben, zusammengesetzt aus den ersten Buchstaben seines Vor- und Nachnamens. Vielen Menschen geht es vermutlich ähnlich wie mir,  wenn man den Namen zum ersten Mal hört, dann denkt man nicht an Italien, sondern an den Commonwealth, die Aussprache im Gehirn formt sich zu „Weiner“, man denkt an einen Weich- und Schwächling und schlussfolgert: „Nicht gut. warum nur, warum.“ Tatsächlich sind die Räder von Viner auf Augenhöhe mit den Daccordis, Bassos, Olmos oder Chessinis dieser Welt. Das Familienunternehmen beginnt in den Fünfzigern Rennräder zu fertigen, und steigt als Sponsor in den Profisport ein; das bekannteste Team wird Mapei (1993) , das man eigentlich mit Colnago und sehr bunten Jerseys in Verbindung bringt, seinen Ursprung aber im Eldor-Viner Team hat.

1994 stirbt Nerozzi, seine Familie betreibt das Geschäft weiter. Etwas mehr zur Geschichte kann man auf Classic Rendezvous, Vineristi und den Gebrüdern Fratelli lesen. 2013 macht Viner den Laden erst einmal dicht. Wie schade, denn bis zuletzt wurde nach eigener Aussage ausschließlich in Italien gefertigt. Oder doch nicht? Ein 2014er Katalog (Gamma-Viner) ist wieder zu finden, aber handelt es sich hier um eine genuine Fortführung, oder hat jemand die Marke gekauft und lässt in Fernost fertigen? Alles Spekulation.

Die neuen Viner Rahmen sehen nicht schlecht aus – aber zu verwechselbar mit allem anderen was heute auf dem Markt ist.

Durch Zufall, nein eigentlich nicht, durch stundenlanges surfen kam ich in den Besitz eines gelben Viner Rahmens von 1995 (Bilder von dem Rahmen hier), ein veritables Projekt, das gleich in meine Schublade passt. Ich bekomme den Rahmen sehr günstig, da die Sattelstütze nicht raus will (im Wiegetritt hat sie es sich anders überlegt) udn er einige kosmetische Macken hat. Zudem ist die Gabel auch nicht die originale und ein Teil der Decals scheint zu fehlen – und zwar der, der den Typ bestimmt.

Hier einmal ein ähnlicher Rahmen von Sulka.

Viner Pro Team Genius 1992

Der Rahmen ist an sich vorne noch top, aber in der Mitte sammelt sich der Rost. Zum Glück bekomme ich das Tretlager raus. Auf der Basis dieses Rahmens, der so sehr typisch für die Neunziger ist,

  • Rahmengröße 56 (Mitte-Mitte)
  • Goldgelbe Uni Lackierung mit dunkelblauen Schriftzügen
  • Columbus Thron Geröhr für 27,2 mm Sattelstütze
  • 1 Zoll Gewinde, Vorderradgabel sieht verdammt nach einer Giant Cadex Alugabel aus
  • Bremszugführung durch das Oberrohr
  • Schaltzugführung unter dem Tretlager
  • ITA Tretlager
  • Schalthebelsockel am Unterrohr
  • Anlötumwerfer
  • Halbschräge, kurze Ausfallenden mit integriertem Schaltauge
  • Muffen, aber keine die man ausmalen kann, keine Pantos
  • Eine schöne, ungewöhnlich(e) (schöne)  Sattelklemmung
  • Zwei Aufnahmen für Flaschenhalter

Da der Rahmen für mich zu klein ist und  das fertig aufgebaute Rad verkaufen muss, ist die Grundidee ein funktionales, modernes Rennrad zu bauen – aber auf der Basis eines schicken älteren Stahlrahmens und das Ganze für etwa €500. Also etwa:

  • Stahlrahmen, aber trotzdem leichte Komponenten
  • 2 x 10 Gänge aber doch Schalthebel am Unterrohr
  • Keine Rücksicht auf Epochen- oder Gruppenreinheit
  • Und möglichst viel verbauen, was gerade im Keller liegt (ein wie immer illussorisches Verfangen)

Farblich hat der Rahmen bereits so viel Ausstrahlungskraft, das nur eine Grundfarbe und die darf nicht bunt sein, dazu kommt. Ich finde hauptsächlich schwarz oben und silber/chrom unten einen Versuch wert.

Im Keller habe ich noch einen schwarzen Vorbau und einen Ergolenker – das ist schone einmal modern und funktional. Schwarze Tektro RL340 Bremshebel, die haben eine große Auflagenfläche für die Hand und einen Release-Mechanismus für die Bremsen am Hebel. Das Tektrolabel wird wegradiert. Das passt auch gut mit den Campa „Super-Veloce“ Bremsen: Für diejenigen die das nicht verstehen: Das sind normale, schwarze Veloce Bremsen, bei denen das Velocelabel wegradiert wurde. Dazu eine in Deutschland seltene Dixna Stütze aus Japan mit 300 mm so dass viel Platz für Größenvariation ist. Die Stütze ist fast so teuer wie der Rahmen, hat eine sehr praktische Einschraubenfixierung, mit der man den Sattel schnell ausrichten kann – die Erstmontage  ist aber leider etwas mühsam. Dazu ein neuer Sattel, bei dem ich erst einmal alle Logos mit schwarzem Permanentmarker eingefärbt habe, damit man die nicht so sieht. Jetzt noch schwarze Bremszughüllen dran und ein schwarzes, gelochtes Lenkerband von Rose, das ich einmal probeweise gekauft habe. Das lässt sich deutlich besser wickeln, als das Fizik Microtex das auch bei sorgfältigster und aufwändigster Behandlung immer wieder Falten wirft -fast so gut wie das BBB Speed Ribbon, das ich sonst gerne verwende. Fertig – oben ist nun alles schwarz, bis auf den Stronglight Steuersatz der mit dem Rahmen kam, denn der läuft noch gut.

Nun geht es in die untere Etage. Dafür habe ich bereits eine Ergomo Karbonkurbel. Die läuft mir zum ersten Mal über den Weg, Scheint neu 2007 auf den Markt gekommen zu sein, auch irgendwie mit Leistungsmessung kombinierbar, wird aber 2015 wohl nicht mehr vertrieben. Die Logos sehen wahnsinnig hässlich aus und würden sich besser für eine Tablettenschachtel eignen. Also muss mal wieder der Radierer ran, der schon so viel von diesem Rad für einen guten Zweck (Aussehen und Leichtigkeit) wegradiert hat. Dann braucht die Kurbel auch noch ein Octalink (ISIS) Tretlager mit ITA Gewinde – die sind heute etwas selten und teuer. Ich finde ich eigentlich ganz gut, die Montage ist einfach, besser als bei Vierkantaufnahme, aber der Standard hat sich nicht durchgesetzt. Sonst hätte ich auch schon einmal öfter eine Shimano FC 6500 Kurbel verwendet, die mir von Design her sehr gut gefällt.

Da fehlt nur noch der Beipackzettel, dann hat man das perfekte Produkt aus der Pharmaindustrie.

Ich dachte für die Schaltung an ein Shimano 600er Trikolore Schaltwerk, einen Suntour Cyclone Umwerfer udn Dua Ace Schalthebel aus dem Keller. Dazu brandneue Shimano Laufräder WH-R500, kein hochklassiges Material aber dafür sehr stabil, gepaart mit einer zehnfach Kassette. Das würde dann einen sehr guten Antrieb sicherstellen. Blaue Reifen passen nicht ganz, müssen aber weg aus dem Keller.

Beim Aufbau kommt es jetzt zu den ersten Problemen; es ist einfach unvermeidlich, denn irgendetwas passt immer nicht: Das Shimano Schaltwerk hat zu wenig Kapazität und Auslenkung für 10 Gänge – maximal neun können gegriffen werden bei 52/42 vorne und 11-25 hinten. Die Zehnfachkette läuft auch rauh über die Schaltröllchen des Umwerfers, der für 7/8-fach und 3/32er Ketten ausgelegt ist. ich könnte 10-fach Röllchen reinbauen, entscheide mich aber dann doch für ein altes 10-fach Ultegra Schaltwerk, dass ich zufällig im Keller finde. Und dann ist der Suntour (2 x 8-fach) Umwerfer zu breit um zwischen Kettenblatt und Kurbelarm zu passen, wenn die Kette auf dem äußeren Blatt liegt. Da muss also leider auch ein 10-fach Umwerfer dran, und ich besorge mir einen Campa Centaur dafür.

Läuft es jetzt? Nein! Bei der ersten Probefahrt ist die Zugspannung am Schaltwerk so groß, dass die Rahmenschalthebel in ihre Ausgangsstellung zurückgezogen werden. An dem rechten Dura Ace Hebel scheinen noch so einige Teile zu fehlen, so dass ich diese wieder abbauen muss. Das ist noch nicht erledigt, aber da kommen noch andere dran.

Das Ergebnis:

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Fährt sich ausgesprochen gut und schnell: Das Rad tritt gut an und liegt stabil in den Kurven, das Gewicht liegt auch deutlich unter 10 kg. Dsa ist viel im Vergleich zu einem Karbonrad aber für ein Stahlrad ohne Fokus auf Leichtbau OK. Toll ist, dass alle möglichen Laufräder darauf passen: Campa 9 oder 10 fach genau wie Shimano. Mit ein bißchen Aufwand ist auch 7 oder 8 fach möglich (Kette, Schwaltwerk wechseln), aber dann wiederum warum sollte man das tun? Sowohl die 10-fach Campagnolo Proton und Zonda Laufräder, als auch die Campa Omega Felgen sehen super damit aus. Und meine blauen DRC Räder passen auch, ebenso wie die Toppolino Carbonteile und die Spinergy Rev. X, alles mit Shimano Rotor. Es ist eine grenzenlose Freiheit, die nicht begrenzt wird durch die verschiedenen Schaltindexierungstandards.

Es ist eine echtes, modernes Rennrad, das auch Komfort bietet durch die Bremshebel und den Ergolenker. daneben macht sich die gelbe Farbe schick, so etwas ist eben selten und heute gerade nicht in Mode – dadurch wird die Individualität unterstrichen.

Anbei noch ein paar Photos der Details:

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Dixna Stütze mit Einschraubenklemmung. Sattel für den Erstgebrauch.

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Stronglight Steuersatz. Der Silberne Fleck oben. Hier kann man auch gut das dunkle Blau des VINER Schriftzuges sehen.

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Ergolenker mit Tektro Bremshebel. Das ist nicht Epochengerechnet aber praktisch und komfortabel.

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Shimano Dura Ace Schalthebel und Campagnolo Super Veloce Bremsen friedlich beieinander.

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Sattelklemmung und Muffen mit Columbus Thron Geröhr

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Cockpit, Rose Lenkerband könnte auch Fizik sein.

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Reparto Corse : (etwa) Abteilung Strassenrennsport

Insgesamt ein sehr schöner Aufbau und ich würde mich freuen, wenn ich jemand damit glücklich machen könnte. Ich dachte an €490 Verhandlungsbasis ohne Versand.

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