Vielleicht ist es nur mein Vorurteil, aber ich glaube die meisten Menschen hier denken, wenn sie das Wort „Afghanistan“ hören an Krieg, Taliban, radikale Islamisten, Terror, Unterdrückung, Korruption und vielleicht noch an „Kunduz“. Ich nicht.
Na ja, vieleicht doch, ab und an habe ich auch Visionen von einer singenden Helene Fischer auf Sandsäcken vor einem Schützengraben. Aber eigentlich denke ich an etwas ganz anderes. In der Straße in der ich aufgewachsen bin, lebte ein paar Häuser weiter mein guter Freund Stefan, der allerdings nicht immer auf dieser Straße lebte. Sein Vater war bei der Deutschen Post zu der Zeit als die Post auch den Telephonbetrieb am Laufen hielt. Da dies schon soo lange her ist, erlaube ich mich hier Telefon mit „ph“ zu schreiben. Stefans Vater war irgendwie Spezialist und deswegen wurde er von der Post in ferne Länder entsandt um dort mehrere Jahre zu arbeiten. Stefan selber war deshalb im Jemen geboren und kam dann nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland in seiner Grundschulzeit nach Afghanistan. All dies war vor der Revolution 1978 und dem sowjetischen Einmarsch 1979. Er schickte mir ab und an Postkarten aus Kabul, Herat oder vom Khyber Pass und von seinen Erzählungen war ich immer schwer beeindruckt. Von ihm lernte ich über die afphanische Version von Polo, Buzkashi. Das Wohnzimmer seiner Eltern war voll mit Teppichen, Wasserpfeifen, alten Gewehren und Musketen und anderem Krimskrams den meine Eltern nicht im Wohnzimmer hatten. Wir tendierten eher zu Porzellan aus Holland, Kristallgläser aus Tschechien und diversen Beiträgen zur Verschönerung aus Kinderhand. Jahrelange hatten wir eine Kim Zigarettendose dort stehen – so etwas hatte trotz gleicher Größe nicht annähernd den Charme einer selbstgebastelteten Handgranate aus dem Afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet.
Stefan machte später dies und das unter anderem einen erfolgreichen Abschluß in Psychologie und in Medizin und lebt heute als Arzt und Surfer in England. Das war auch einer meiner ersten Radfreunde, denn mit ihm bin ich so etwas ähnliches wie BMX gefahren.
Und trotz all den unerfreulichen Dingen, die ich nach 1978 über das Land gehört habe, ist doch auch mehr als dreissig Jahre später immer noch der erste Eindruck der weitaus stärkere als alles was später kam: Spaß, Abenteuer, Berge, komisch bemalte Laster, Schauspieler an der Grenze, Buzkahsi, und all diese Dinge. Wow. Da würde ich doch gerne einmal hin. Mit einem Rad.
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