Velothon Berlin 2016. Teil 2: Das Rennen

Rennen werden am Berg entschieden.“ Sagt man. In Berlin gilt das nicht, da werden Rennen morgens im Bett entschieden. Kommt man raus, oder nicht? Und vor allem: Wann endlich?

Ich lag im angebauten Wintergarten von Kathrin und Fabian. Der hat riesige Fenster, und nur ein paar wenige Vorhänge, so dass einem nichts vor dem Sonnenaufgang um kurz vor 5 am fast längsten Tag des Jahres schützt. Umdrehen, prüfen ob beide Beine noch vorhanden sind, unter dem Bett liegen auch keine Nordkoreaner, die einem noch in ihr Heimatland verschleppen wollen; es gibt einfach keine Ausrede nicht aufzustehen und sich fertig zu machen. Ein paar Zimmer wacht Fabian gerade auf und denkt vermutlich dasselbe.

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Sogar die Auswahl an Riegeln und die guten Pistazientartuffos von Bio Lüske liegen noch auf dem Frühstückstisch – bei uns zuhause hätten irgendwelche hungrigen Nachtmonster alles weggefuttert. Wieder kein Grund nicht zu gehen.

Dabei war ich gut trainiert, mit noch besseren Vorsätzen und vollmundigen Versprechungen nach Berlin gekommen. Ich hatte bereits deutlich mehr als 6.000 km dieses Jahr (Das Jahr fängt Weihnachten des Vorjahrs an und zwar wegen der Rapha Festive 500) trainiert, fühlte mich gut, hatte bei der Anmeldung zum Velothon 43 km/h als Durchschnittsgeschwindigkeit angegeben, um auf jeden Fall in Startblock A zu kommen und allen die es hören wollten oder nicht gesagt, dass ich mit in ca 1:39 hr die 66 km fahren wollte. Was mir dann einen Platz innerhalb der ersten 25 meiner Altersklasse garantiert hätte. Ich hatte sogar einer meiner Studentinnen, die in Berlin arbeitet, gesagt, dass sie doch zum gucken kommen möge. Es stand also nicht nur persönliche Befriedigung, sondern auch Respekt und professorale Authorität auf dem Spiel. Also an sich ein guter Grund doch zuhause zu bleiben.

Kurz vor Sieben kamen wir an Fabians Büro in der Innenstadt an. Das liegt ganz in der Nähe der Kneipe Kumpelnest 3000, ehemals Kumpelnest 2000, wo um diese Zeit immer noch der Bär tobte.

Das ist nicht unser Rad vor dem Kumpelnest 3000.

Wir freuten uns schon darauf nach dem Rennen dort einzukehren und unsere Erfolge zu feiern. Aber erst einmal fuhren wir zum Start.

Dort mussten wir uns ganz hinten im Startblock A einreihen, denn der war eine halbe Stunde vor dem Anpfiff bereits gut gefüllt. Es zeigte sich, das Rennen eben im Bett entschieden werden: wer früh aufsteht und zum Start fährt kommt nach vorne, sonst muss man sich eben hinten einreihen und das ist für hoch-ambitionierte und leistungsschwache Fahrer wie mich nicht optimal.

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In Teamfarben: Links Team Rapha, rechts Team Postivo Espresso -Louis Vuitton. Hinter uns Block B.

Ich war übrigens über das qualitative Aussehen der anderen Starter im Block A überrascht. Erwartet hätte ich junge, schlanke Menschen in den Farben bekannter Teams wie Merkur Druck oder Eisenschweinekader und den einen oder anderen verbissenen Midlife-Chrysler. Stattdessen sahen die meisten wie du und ich aus. OK, ich habe keine Ahnung wie du gerade aussiehst, aber wenn Du besser aussehen solltest als wir, dann schick bitte ein Foto. Vor uns majestätisch die Siegessäule mit der Goldelse oben drauf.

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Finisher Trikot am Start. Cool.

Zum Glück auf dem Foto nicht bei einem von uns auf dem Kopf, denn sonst hätten wir ausgesehen wie Sheldon Brown.

Sheldon Brown

Bartmäßig vor allem Fabian.

Nachdem der VIP Block auf die Reise geschickt wurde, der in erster Linie aus Klappradfahrern bestand, ging es recht pünktlich um 7:41 hr los. Ein letztes „頑張れ!“ an Fabian und wir fuhren los. Bei Rennen fahre ich grundsätzlich SPD Pedale, denn die Sekunden die ich damit beim Einklippen am Start spare kann ich im Rennen nie wieder aufholen. Jedermannrennen laufen ja bekannterweise andersrum wie Profirennen ab. Die ersten 10 bis 20 Kilometer haut man rein wie ein Blöder, um den Rest dann, unabhängig von der Distanz in der Gruppe locker ausrollen zu lassen. Und es ganz wichtig sich dann entsprechend aggressiv nach vorne zu pfuschen ohne auf die Fresse zu fallen. Ich fuhr etwas unter dem Leistungsmaximum, da ich meine Körner nicht komplett zu Beginn verschleudern wollte und arbeitete mich nach vorne. Das klappte sehr gut und ich überholte bestimmt so um die 100 Mitfahrer, damit war ich ganz zufrieden. Bereits nach 7 km war das Feld schon so weit auseinander gezogen, dass ich auf die Mithilfe von anderen angewiesen war, um in eine der vorderen Gruppen zu springen. Dummerweise musste ich jetzt in der Gruppe die Führungsarbeit machen, als wir auf den Ernst-Reuter Kreisel einbogen.

Vor uns kam nun die erste leichte Steigung am Spanndauer Damm und ich sah eine größere Gruppe vor mir.  Dummerweise hatte ich nun gar keine Körner mehr im Köcher, um mal ein paar gängige Klischees und Metaphern zum besten zu geben (Kurzer Exkurs: richtig gute Anwendung von Metaphern und Klischees beherrschen die Texter des neuen Rose Katalogs: „Sophie Irgendetwas ist bildhübsch und pfeilschnell – sie sprengt alle gängigen Schubladen!„). Die Gruppe vor mir war so nah, und doch so fern. Ich hätte jetzt auch gerne eine Schublade gesprengt um da rein zu kommen, aber alleine springen ging nicht und meine Gruppe wurde langsamer und langsamer. Das ist bei Flachlandfahrern dummerweise so, sie sehen eine Steigung und in dem Moment funkt das Hirn „Kräfte sparen!“, und so ist man gerade noch mit 40 unterwegs und auf einmal nur noch mit 35, obwohl die Steigung noch gar nicht begonnen hat. Vor uns fuhr die Gruppe davon und ich wusste in dem Moment, dass das heute nichts richtig gutes geben würde. Aber vielleicht würde ich am Wannsee noch eine Chance haben.

Im Prinzip hätte man hier das Ziel aufbauen können, denn die Fahrer meiner Gruppe kam dann mehr oder minder geschlossen 50 km später so ins Ziel. Da war der dicke, riesige Wikingerdäne, der zackige Fixiefahrer, die lange Bohne mit der durchsichtigen weißen Assoshose und die beide Gesellen von Malerbetrieb Strechow – keinen von denen wurde ich los. Das wusste ich aber in diesem Moment noch nicht.

Ich möchte jetzt hier nicht angeben mit meiner Power, denn schließlich habe ich auch nicht so viel, als wenn es dazu reichen würde im Solo davon zu sprinten und Anschluss an die Gruppe vor mir zu finden, aber ich war jetzt erst einmal ein wenig gelangweilt und der Puls hing bei 120 bis 130. Wir daddelten so mit 35 bis 37 durch die Gegend und so manche RTF und Montagstrainings habe ich als wesentlich härter in Erinnerung. Am Wannsee, bei den welligen Steigungen dachte ich, dass ich es noch einmal versuchen sollte, denn ich war vorne in der Gruppe, man fährt etwas langsamer und ich bin am Berg an sich ganz gut. So zog ich an und machte mich den Hügel hoch nur um festzustellen, dass meine Gruppe quasi stehen geblieben war. „Kräfte sparen!„. Wie jedes Jahr gab es hier auch mal wieder einen Sturz. Das passiert immer dann, wen eng in der Gruppe gefahren wird und der Fahrer vor einem aus dem Sattel in den Wiegetritt geht. dann wird das Rad einen Moment langsamer und der hintere fährt auf. Jedes Jahr mit ziemlicher Sicherheit.

Es half alles nichts. Ich nahm wieder Power raus und ließ mich in die Gruppe zurückfallen. Da ging es dann mit 35 weiter. Meine einzige Hoffnung war, dass von hinten eine Spurtstarke Gruppe aus dem B Block, der 2 Minuten nach uns gestartet war, kommen würde, an der ich ich ranhängen konnte. Am botanischen Garten stand Kathrin und mit der hatte ich mich abgesprochen, dass Sie mir zuschreien sollte, in der wie vielten Gruppe von vorne ich wäre. „Dritte!“ hörte ich. Das war gut, aber nur dann wenn der B Block auch  schnell wäre.

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Meine Gruppe. Hinter mir der zackige Fixiefahrer.

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Fabian, ein paar Minuten später.

Gemütlich ging es nun die nächsten 10 km bis zur Einfahrt zum ehemaligen Flughafen Tempelhof. In den letzten Jahren wehte da immer ein fieser Wind, und zwar immer von vorne, aber diesmal war da absolut nichts.

Das letzte Stück, besonders das durch Kreuzberg mag ich am liebsten. Ich hatte die Hoffnung auf den B Block aufgegeben und dachte OK, fahr halt  so weit wie es geht nach vorne und versuch wenigstens einen ordentlichen Sprint auf der langen Zielgeraden hinzubekommen. Ich blieb weit links, damit ich die Linkskurven schnell durchfahren konnte und platzierte mich ca 6 km vor dem Ende nach der Kurve an dem kurzen Anstieg zur Karl-Liebknecht-Straße gut. Unsere Gruppe war aber auch verdammt groß und so schnell wie ich wollte kam ich nicht nach vorne. Und da war ja schon die Goldelse wieder.

Es half wieder nichts, ich war eingeklemmt zwischen Massen von Fahrern, die einfach nicht schnell fahren wollten und rollte mit ihnen durch das Ziel. Da war erst einmal ein Gefühl von totaler Enttäuschung und erstaunlicher Frische. 1:44 hr und ein Schnitt von 38,3 km/h sind ja nicht wirklich schlecht – aber eben auch nicht wirklich gut. Zum Glück war meine Studentin nicht da, so dass mir die ultimative Peinlichkeit erspart blieb.

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Ja, das war peinlich. Aber was macht man, wenn man sich so richtig dreckig fühlt? Man hält Ausschau nach Menschen, denen es scheinbar noch dreckiger geht. Das ist ja das Prinzip vieler Sendungen auf RTL. Und es dauerte keine 5 Minuten, bis ich jemanden gefunden hatte, der noch peinlicher war als ich  – wenn auch schneller. Mann, bin ich froh, das ich nicht hinter dem herfahren musste.

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Fünf weitere Minuten stellte ich fest, dass ich ans ich ein recht glücklicher Mensch bin, denn meine Familie lässt mir die Freiheiten meinen Hobbies nachzugehen. Das ist nicht immer  und bei jedem so.

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„So jetzt bist du dran. schon den ganzen Morgen pass ich auf die Göre auf. Jetzt mach auch mal was du Spree-Armstrong!

Mittlerweile hatten Fabian und ich uns auch wieder gefunden, wir tranken ein Alkoholfreies Paulaner und bummelten noch ein wenig durch die Radshoppingmeile. Am Oakleystand kommte man 1:1 auf der Rolle gegeneinander antreten. Fabian bequatschte mich, dass wir das mal machen sollten, aber als ich mich gemeldet hatte hielt er sich gschickt im Hintergrund und ich musste dann gegen so einen Typen mit Jeans und Sonnenbrille fahren.

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Was ich nicht wusste war, dass genau der Type der Schnellste am Vortag war. Und schnell zu treten ist ja so gar nicht mein Ding. Also rennmäßig eine weiter Enttäuschung.

Aber egal, es war gerade einmal halb elf und fast ein ganzer Tag in Berlin lag vor uns. Das war viel besser als das Rennen. Wir fuhren zurück zum Büro, vorbei am Kumpelnest 3000 wo jetzt endgültig Schluss war und machten uns dann auf den Weg zum japanischen Restaurant Udagawa.

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Dort platzierten wir die japanische Flagge vor uns und stimmten die japanische Nationalhymne an.

Doch das ist eine andere Geschichte, die in Teil 3 erzählt werden wird. Oder auch nicht.

Danke an Kathrin, Fabian, Pina und Lucie.

5 Kommentare

Eingeordnet unter 2016, Fabian, Mob, Rennen

5 Antworten zu “Velothon Berlin 2016. Teil 2: Das Rennen

  1. Elise

    Was bist Du denn für Einer? So einen arroganten und eingebildeten Beitrag habe ich ja schon lange nicht mehr gelesen. Eigentlich war er schon wieder so schlecht, dass er gut war. Ich musste jedenfalls lauthals lachen und alleine dafür danke ich Dir.
    Mir ist bei Deinem Beitrag aufgefallen, dass Du für alles, was DU beim Velothon „verbockt“ hast eine Ausrede auf Lager hast. Bist Du schon einmal in Dich gegangen und hast überlegt, ob es vielleicht doch an Dir lag? Vielleicht warst Du einfach zu „schlecht“. Ich fahre seit einem Jahr unregelmäßig Rennrad, was meiner Rolle als Mutter und berufstätiger Frau geschuldet ist. Dennoch bin ich beim Velothon angetreten. Es war mein erstes Rennen überhaupt. Ich hatte einen Schnitt von 36,12 km/h und meine Zeit lag bei 1:50 h. Ich bin aus Block E angetreten.
    Gib doch einfach zu, dass Du ein Möchtegern bist, der sich einfach übernommen hat.
    Ich frage mich auch, warum Du nicht bei den 120 km mitgefahren bist, wenn Du so ein Hengst auf dem Rad bist. Vielleicht kannst Du uns das ja mal nächstes Jahr beweisen.
    Achso…der Erste hat selten Windschatten…deswegen wird er ja der Erste bzw. Sieger. Schönen Abend.

  2. Elise

    Was bist Du denn für Einer? So einen arroganten und eingebildeten Beitrag habe ich ja schon lange nicht mehr gelesen. Eigentlich war er schon wieder so schlecht, dass er gut war. Ich musste jedenfalls lauthals lachen und alleine dafür danke ich Dir.
    Mir ist bei Deinem Beitrag aufgefallen, dass Du für alles, was DU beim Velothon „verbockt“ hast eine Ausrede auf Lager hast. Bist Du schon einmal in Dich gegangen und hast überlegt, ob es vielleicht doch an Dir lag? Vielleicht warst Du einfach zu „schlecht“.
    Ich frage mich auch, warum Du nicht bei den 120 km mitgefahren bist, wenn Du so ein Hengst auf dem Rad bist. Achso…der Erste/Sieger hat selten Windschatten, deswegen wird er ja auch Erster!

  3. Stimmt alles! Und wieder süffig geschrieben. Du bist eben der Egon Erwin Kisch des Radblogs.
    Dank zurück! fab

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