Campagnolo Delta Bremsen. Wirklich alles über.

Eine umfassende Darstellung über alles, was ich über Campagnolo Delta Bremsen in den letzten fünf Jahren herausgefunden habe. Natürlich wird trotzdem etwas falsch oder nicht vollständig sein, deshalb helfe bitte mit, diesen Post noch besser zu machen. Danke.

1. 1984: Geschichte im Campagnolo Katalog

Im Katalog No. 18 von 1984 zeigt Campagnolo die Hierachie seiner Rennradgruppen auf: Ganz oben steht die Super Record (Bremse 4061/1) Gruppe, gefolgt von der (Nuovo) Record (Bremse 2040/1)Record und der Gran Sport (Bremse 117).

Aus heutiger Sicht ist das Design der Bremsen durch alle Gruppen sehr ähnlich und bestand aus einer Mittelachse mit Seitenzug (Single Pivot, Side Pull), sonst unterschieden sich nur in Details. Zwar war Campagnolo noch erste Wahl bei den Radprofis der Dekade, aber die technische Führerschaft war verloren gegange: Ehemalige japanischen Massenhersteller wie Shimano (600EXDura Ace) und Suntour (Superbe ProCyclone)  hatten zwischenzeitlich  innovativere, und qualitativ hochwertigere Gruppen erfolgreich auf den Markt gebracht.

Shimano hatte 1980 mit der 600AX (später auch Dura Ace AX und Adamas AX höher-wertige bzw. niederwertige Komponente nach dem gleichen Konzept) sogenannte „aerodynamische“ Mittelzug (Roller Cam)Bremsen vorgestellt – allerdings mit sehr bescheidenem Erfolg.

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Als Antwort darauf stellte Campagnolo auf einer Messe 1984 erste Prototypen der C-Record Delta Bremsen vor. Angeblich gibt es von diesen Prototypen nur drei Stück, eine im Besitz von Campagnolo, eine von Richard Sachs und eine andere irgendwo. Leider tauchen auf Ebay immer wieder sogenannte Prototypen auf, so dass diese Geschichte keineswegs gesichert ist (siehe Beitrag im Tour Forum).

2. 1986: Markteinführung. Rückruf.

1986 kamen die Delta Bremsen in den Verkauf, in der ersten Generation; insgesamt wurden fünf Generationen aufgelegt und verkauft. Diese erste Generation wird oft mit den Prototypen gleich gesetzt, aber wenn ich hier von der ersten Generation spreche, dann meine ich die erste Generation, die in den Verkauf gegangen ist und nicht die Prototypen, die kein Mensch kennt. Werden sogenannte „Prototypen“ irgendwo zum Verkauf angeboten sind das IMMER Deltas der ersten Generation. Oder etwas komplett anderes und somit auch komplett falsches.

 

Oben die katastrophale Entspannung

Es scheint, als wenn sehr schnell nach dem Verkaufsstart Probleme mit der Zuverlässigkeit der Bremsen auftauchten, so daß Campagnolo sich entschied diese zurückzurufen. Anscheinend war es so, dass der Entspannungsmechanismus an der Bremse abriss (zu diesem Zeitpunkt war Campagnolo noch nicht auf das Prinzip über gegangen, die Entspannung der Bremsen durch den Bremshebel auszulösen), so dass die Bremse extrem entspannt wurde und, wie wir alle wissen, eine total entspannte Bremse bremst nicht.

Der Rückruf von Campagnolo hat dazu geführt, daß heute Bremsen der 1. Generation sehr rar sind und sich auf Ebay in der Preisklasse von 1.000 bis 4.000 US$ pro Paar bewegen.

Die zeitliche Lücke bis zur Einführung der 2. Generation C-Record Delta Bremsen wurde   mit der Einführung der sogenannten „Cobalto“ Bremsenüberbrückt. Im wesentlich waren das Super Record (4061/1) Bremsen mit einem blauen Stein auf der Mittelachse. Technisch brachte das gar keinen Fortschritt und sah irgendwie sehr „girly“ aus, was dazu führte, dass heute auch Cobalto Bremsen sehr teuer sind, da sie auch nur für einen kurzen Zeitraum verkauft wurden. Eine Colbalto Bremse kann man sich recht einfach aus einer Super Record plus entsprechenden blauen Glassteinchen basteln. Nicht, dass ich das schon einmal gemacht hätte.

Die Campagnolo – Swarowski Kooperation

3. Markteinführung der 2. Generation 1987

Die Probleme der 1. Generation (bremsten nicht immer) wurden mit der 2. Generation ausgeräumt. Allerdings hatten die Delta Bremsen das (Image)problem, dass die Bremskraft geringer als bei Konkurrenzprodukten war, und sie sich auch schlecht modulieren lassen. Dazu kommt, dass sie sich konstruktionsbedingt ebenfalls schwer einbauen und einstellen lassen. Und das ist definitiv nicht nur ein Imageproblem und fängt damit an, dass man sich zunächst einmal einen 3,5 mm Imbusschlüssel zulegen muss, um auch nur den Bremszug klemmen zu können.

Ich würde zusätzlich vermuten, dass sie im Vergleich zu anderen Bremsen auch sehr teuer und aufwändig in der Herstellung waren, so dass sie entweder preislich zu teuer, oder mit Verlusten verkauft wurden.

Einige andere Hersteller brachten ähnliche Produkte auf dem Markt. Zu nennen sind hier Modolo Kronos (1983) und Weinmann Delta und Delta Pro. Keine von diesen Bremsen war erfolgreich im Markt.

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4. Das Ende 1994

Anfang der Neunziger war das Bremsenprogramm von Campagnolo veraltet. Shimano brachte 1991 die Dura Ace 7403 Bremse auf den Markt, das erste System mit sogenannten „dual pivot“ was man vielleicht als „zweiachsig“ übersetzen könnte. Suntour hatte sich zwischenzeitlich vom Markt verabschiedet, ebenso die klassischen französischen Hersteller Huret und Simplex.

Campagnolo brachte zu diesem Zeitpunkt neue Gruppen auf den Markt: Chorus, Athena, Xenon in absteigender Reihenfolge. Erst 1995 wurden mit der Record die ersten Dual Pivot Bremsen vorgestellt.

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5. Die verschiedenen Generationen der Delta Bremsen

Hier geht es im wesentlichen um die verschiedenen Merkmale und Variationen, anhand derer sich Delta Bremsen von Generation zu Generation unterscheiden. Wie üblich bei Campagnolo gibt es auch innerhalb der Generationen einige Variationen, so dass es manchmal recht schwierig ist eine Bremse genau einzuordnen.

Wenn hier von Delta Bremsen geschrieben wird, dann inkludiert dies auch die Delta Bremsen der Croce d’Aune Gruppe, die unterhalb der Super Record/Record Gruppen liegt. Diese wurde von 1987 bis 1991 verkauft.

Die Bremsen unterscheidet sich von allen anderen Delta Bremsen dadurch, daß die Rückhaltefedern der Bremsarme außerhalb des Gehäuses auf der Rückseite angeordnet sind. Zudem ist der obere Teil des Bremshüllenhalters anderes gestaltet. Croce d’Aune Bremsen werden hier nicht weiter betrachtet, da sie einfach zu identifizieren sind.

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Rückseite einer Croce d’Aune Bremse mit außenliegenden Federn. Auch die Führung oben ist anders gestaltet.

Die wesentlichen Merkmale, in denen sich die Delta-Bremsen Generationen unterscheiden sind:

Quick Release Mechanismus

Die erste Generation hatte an der Zugführung oben, wo sich die Bremshülle gegen den Bremskörper abstützt einen Mechanismus, mit dem der Bremszug entspannt werden konnte. Bei Entspannung bewegen sich die Bremsschuhe von der Felge weg das Laufrad konnte einfacher aus der Gabel genommen werden.

Von der Konstruktion her war der Quick Release allerdings sehr schwach ausgelegt, so daß die Möglichkeit bestand, dass es beim Bremsen versagte. Aus diesem Grund und weil in späteren Generationen  der Quick Release im Bremshebel eingebaut wurde (wie auch noch heute bei Campa Ergopower Hebel), gibt es diesen nicht mehr ab und inklusive der 2. Generation . Der QR Mechanismus ist daher ein eindeutiges Erkennungsmerkmal der 1. Generation.

Bremshüllenhalter

Der Bremshüllenhalter ist das Teil, das auf dem höchsten Punkt der Bremse zwischen dem Dreieckigen Hauptgehäuse und der Bremszugshülle sitzt (BR DE11 bis 14). Durch den Halter wird der Bremszug zu der Befestigung an dem inneren Hebelmechanismus geführt.

In der ersten Generation, beinhaltete der Bremszughalter den Quick Release Mechanismus. Er wurde mit einer Rädelschraube auf das Hauptgehäuse aufgeschraubt. Hier gibt es auch keinen Plastikbalg (weiß oder Schwarz), die den oberen Teil gegen Verschmutzung schützt.

In der zweiten Generation ist die Rädelschraube zur Feinjustierung der Bremszugslänge gang nach oben gewandert. Die Rädelschraube ist weiterhin in Achsenrichtung schraffiert, wie bei der ersten Generation, sie ist allerdings weniger lang. Unterhalb dieser Schraube befindet sich eine weißer Plastikbalg mit 5 Faltungen. Die untere Metallschraube läßt sich gegen die Federkraft hochschieben, so dass die Abdeckung des Hauptgehäuses unter diese Schraube geklemmt werden kann.

Bei der dritten Generation sind wird nun zum ersten Mal eine nicht gerädelte Schraube oben verwendet. Sie ist konisch (d.h. der Durchmesser wird zur Spitze hin geringer) und hat in der Mitte eine Rille in der ein schwarzer, abnehmbarer O-Ring sitzt. Der Plastikbalg unterhalb der Schraube ist weiterhin weiß und hat fünf Faltungen. Die Schraube darunter hat nun auch eine Rille in der Mitte mit einem schwarzen O-Ring. Von der Funktion her hat sich der Aufbau nicht geändert.

Zwischen der dritten und der vierten Generation gibt es keine Änderungen. Der Plastikbalg ist nach wie vor weiß.

Bei der fünften Generation gibt es ebenfalls keine Änderungen, bis auf die Tatsache, daß der Plastikbalg nun schwarz ist. Dies ist im Einklang mit den Farbwechsel von Weiß auf Schwarz bei Bremsschuhführungen und (Lenker)Bremshebelgummis zu sehen.

Gehäuseabdeckung

Die Gehäuseabdeckung wir bei der 1. Generation mittels eines Außenliegenden Clips auf dem Gehäuse befestigt. Diesen Clip gibt es nur bei der ersten Generation, bei keiner der folgenden.

Das Campagnolo Logo auf der Außenseite ist eingestanzt, also nicht graviert (mit scharfen Werkzeugen in die Oberfläche „eingeritzt“ und natürlich auch nicht mit einem Laser bearbeitet). Das Logo selber ist nicht mit Farbe ausgelegt.

Angeblich ist auch das Oerflächenfinish bei der ersten Generation„satiniert“ , also es wurde eine andere Oberflächenbeschichtung oder -bearbeitung vorgenommen, als in späteren Generationen.

Bei der zweiten Generation wird die Abdeckung unten eingeklippt und mit der Verlängerung unter den Bremzuggegenhalter gesichert, (Nase bei BR DE 02). Diese Art der Klippung bleibt bis zur 5. Generation identisch. Das Logo ist nun nicht mehr eingestanzt, sondern gedruckt.

Bei der dritten, vierten und fünften Generation ist da Logo in schwarzer Farbe auf der Abdeckung gedruckt. Es gibt eine ganze Anzahl von Anfertigungen der Abdeckung für Räder italienischer Hersteller (Colnago, Chesini, Pinarello etc.) bei denen die Abdeckung nachträglich bearbeitet wurde, um das Logo des Herstellers aufzunehmen.

 

 

Die grundsätzliche Befestigung des Gehäuses am Bremskörper ist zwischen der 2. und der 5. Generation  identisch.

Ganz wichtig und auch selten ist eine weitere Variante, und zwar das „Grafite Finish“ was bei  der Croce D’Aune Bremse 1991 angeboten wurde, bei anderen Delta-gruppen habe ich das bislang noch nicht gesehen. Dabei handelt es sich lediglich um eine andere Farbe und Behandlung der Oberfläche, technisch hat sich sonst nichts verändert.

Bei den anderen Delta Bremsen gab es die hingegen die Variante Century Finish.

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Hier im Vergleich, normale Deltas im Silbrigen Finish mit den wesentlich dunkleren Century Finish Deltas.

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Aufgrund der weiteren Merkmale würde ich diese der fünften und letzten Generation zuordnen.

Gelenkmechanismus

Der innere Gelenkmechanismus ist wohl das signifikanteste Merkmal und die Änderung mit dem größten Einfluß auf die Funktionalität in der Geschichte der Campagnolo Delta Bremsen. Von der Konstruktion her haben die ersten drei Generationen einen Mechanismus mit drei Gelenken (und einem Fixpunkt) sowie vier Hebeln. Die Explosionszeichnung weiter oben zeigt eine Dreigelenksversion.  Die vierte und fünfte Generation hingegen besitzen fünf Gelenke (und einen Fixpunkt) mit vier Hebeln. Diese Modifikation sollte dazu führen die Bremskraft und Modulation der Bremse durch ein verbessertes Hebelverhältnis zu optimieren.

… und hier eine Fünfgelenk Generation-

Zwischen der 1. und der 2. Generation gibt es weitere Verbesserung in der Konstruktion, die sich aus dem Versagen und Rückruf der 1. Generationsbremsen ergaben. So wurde das die Feststellschraube für den Bremszug verstärkt und  das Innenleben der Bremse aus rostfreiem Stahl gefertigt.

Farbe und Größe der Bremsschuhe und Halter

Bei den Bremsschuhen und -haltern gab es ebenfalls Veränderungen über die Generationen. Die Bremsgummis der ersten Generation sind noch in weißer Farbe und deutlich kleiner als die späterer Generationen.

Die Bremsgummis wurde in Fahrtrichtung in die hinten offenen Bremsschuhe „gesteckt“ und sind nicht durch Schrauben gesichert. Die Bremsführungen sind mit weißen Plastikhüllen verkleidet.

Ab der zweiten Generation werden größere, schwarze Bremsgummis verwendet. Diese werden mittels zweier Madenschrauben gegen ein Herausrutschen gesichert. Bis zur vierten Generation bleiben die Plastikhüllen der Führungen weiß, danach wurden diese gleichermaßen wie andere Einzelteile in der fünften Generation schwarz.

Das alles lässt sich nun in dieser Fototabelle zusammenfassen: In den Spalten sind von links nach rechts die fünf Generationen der Deltabremsen angeordnet und in den vier Zeilen finden sich die wichtigsten Merkmale der Unterscheidung zwischen den Typen. Das Gleichheitszeichen bedeutet, dass ich zwischen den Generationen nichts verändert hat.

Die vier Merkmale, mit deren Hilfe man jede Bremse eindeutig zuordnen kann sind von oben nach unten:

  • Quick Release Mechanismus
  • Bremshüllenhalter
  • Gehäuseabdeckung und
  • Gelenkmechanismus.

Daneben gibt es auch noch weitere, kleinere Merkmale wie z.B. Art und Farbe der Bremsschuhe, die aber eben auch einfacher geändert werden können, so dass Manipulationen nicht auszuschließen sind. Diese werden irgendwann einmal, wenn ich viel Zeit habe, also vielleicht in der Rente, mal hier zugefügt werden.

 

7 Kommentare

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  6. Hallo,
    danke für diesen wunderbaren Artikel. Dürfte ich ein oder zwei der Bilder für meinen Blog (www.mymamilme.blogspot.de) verwenden? Natürlich mit Quellenangabe und Link auf Deinen Beitrag. Viele Grüße, Claus

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