Auch dieses Jahr veranstaltete die Schicksalsgemeinschaft Bremer Radsportvereine wieder die offenen Bremer Kriteriumsmeisterschaften (OBKM), eine Serie von 6 Rennen im Sommer, ausgetragen auf dem Sachsenring in Heilshorn. Am Mittwoch fand der letzte Lauf statt.
Sachsenring – das klingt nach Benzingeruch und Motorschmiere und so gar nicht nach der Produktion von Faun Müllfahrzeugen. Tatsächlich ist der Sachsenring lediglich eine Strasse in Form eines Rechtecks um ein Gewerbegebiet jenseits der A27, irgendwo 25 km von zuhause. Durch diverse völlig übertriebene Blogposts, ergänzt durch begeisternde Erzählungen konnte ich Hannes überzeugen, mich zum letzten OBKM der Saison zu begleiten. Es gab auch etwas zu feiern: Der dritte Gesamtplatz in diesem Jahr war mir eigentlich sicher, ich musste nur noch teilnehmen und ankommen. Trotzdem war ich so nervös wie lange nicht mehr.
Meine Nervösität kühlte langsam auf dem Weg zum Rennen ab. Das lag an dem Regengebiet in das wir geraten waren und das uns innerhalb kürzester Zeit bis auf die Socken nass machte. Prima, dachte ich, so richtig Lust hast Du ja eh nicht und auf nasser Strasse werden sie uns ja wohl nicht fahren lassen, das wird vermutlich gleich abgesagt. Wie mit einer Heckenschere geschnitten hörte der Regen exakt am Sachsenring auf. Die Strasse dort war komplett trocken geblieben und alle die mit dem Auto gekommen waren (alle außer uns, de facto) standen gutgelaunt an der Strecke und warteten darauf, dass es los geht. Fast schon schade.
Zunächst einmal fuhren die Bratzen unter sechszehn Jahren. Uns wurde dabei zwischenzeitlich in durchnässter Kleidung richtig kalt; dann kamen wir endlich dran, die Männer über 50 und die Frauen über 16 in einem Rennen. Diesmal ging es nur über 16 Runden wegen der nahenden Dunkelheit. In Runde 12, 8 und 4 wurde jeweils um Punkte gesprintet, die Punkte beim Schlußsprint zählen dann noch doppelt hinzu. Ich stand am Start, zusammen mit den anderen fünf Teilnehmern denn leider fehlten ein paar bekannte Gesichter wie Linda, Wolfgang, und Rainer. Also, ich stand am Start und hatte gerade begonnen einen Riegel zu essen. Ich dachte, es gäbe nun wie immer eine langatmige Erklärung der Rennleitung, aber weil alle etwas nervös waren – die Dunkelheit nahte – ging es, zack, gleich los.

Hier nach kauend. Links schon die Attacke.
Einer der Fahrer (in blau) versuchte sich bereits nach den ersten hundert Metern abzusetzen, so dass ich all meine Kraft aus der Kaumuskulatur in die Beine fliessen liess, um die Lücke zuzufahren. Das doofe Resultat davon war, dass ich nun einen rund gelutschten Klumpen Riegel im Mund hatte, der mich daran hinderte richtig zu atmen. Bis fast zum Ende von Runde zwei dauerte es, bis ich das Ding endlich kleingelutscht hatte – das kostete richtig Körner. Und jetzt begann ja auch schon der Sprint um die Punkte.
Keiner wollte den Sprint anziehen, also machte ich das dann selber von der Innenseite aus, etwa 40 Meter vor der letzten Kurve. Das ist der ideale Punkt bei dem es meine Ausdauer gerade noch erlaubt volle Power bis zum Zielstrich zu geben. Ich legte los und kam als Erster ins Ziel. Eine Glocke wurde geläutet.
Das ist die Glocke die läutet, wenn man in die letzte Runde vor dem Sprint geht.
Also musste ich jetzt meinen Sprint als „Ausreissversuch“ tarnen, damit ich nicht völlig blöd dastand – ich machte weiter hohes Tempo und mir gelang es auch die Gruppe auseinander zu reisen, aber die starken drei Fahrer waren nach wie vor dabei.

Die Ausreisser
Als die dann den Sprint anzogen konnte ich nur noch reagieren – aber die Lücke hatte sich bereits aufgetan und ich wusste, dass ich maximal Dritter werden würde. Genau bis zu dem Moment als Andrzej in der letzten Kurve stürtze, dabei zentrifugal nach außen schliderte und Kai praktischerweise bremsen und stürzen musste. So kam ich unverdient als Erster ins Ziel.
Marc schloss danach zu mir auf und die folgenden Runden fuhren wir in mässigem Tempo gemeinsam. Wir überundeten Laura, die sich uns anschloss und später Lena, die dies nicht tat.
Nach einer Weile und kurz vor Schluss hatten sich auch Andrzej und Kai von ihrem Sturz erholt. Schlimmes war zum Glück nicht passiert. Zu fünft fuhren wir so in die letzte Runde, die Kai locker vor mir und Marc gewann. Und damit war das letzte Rennen vorbei; ich hatte mal wieder gewonnen! Na ja, es war das zweite Mal hier und diesmal auch wirklich nicht fair. Das war allerdings auch völlig egal, denn an den Gesamtplatzierungen änderte dies nichts.

Zieleinlauf. Kai vor mir und Marc.
Wegen der nahenden Dunkelheit kam es dann gleich zur Siegerehrung auf dem ehrwürdigen Podest des Bremer Radsportverbandes, das praktischerweise mitten in riesigen Verdauungsabfallprodukten größerer Tiere stand. Darauf standen schon die ganz großen der Radwelt. Also wie z.B….öh…ist ja auch egal. Ich war übrigens erst einmal alleine dort, Kai hatte sich irgendwohin verdrückt, um seine Wunden zu versorgen und Wolfgang, der die Serie schon nach dem 5. Lauf gewonnen hatte, fuhr mit den schnellen Jungs im letzten Rennen das zeitgleich stattfand.

Es gab eine „Bronze“ Medaille und zwei Gels. Wahre Arbeit, wahrer Lohn.
Zufällig sah ich Kai kurz danach und auf meine Intervention hin, wurde die Ehrung dann fortgesetzt. Auch Wolfgang, der gerade mit dem feld vorbeifuhr, wurde zugerufen er möge doch mal Pause machen und kommen, um sich auf das Treppchen zu stellen.
Kai bekam nun seine Silbermedaille und eine mir unbekannte Anzahl von Gels.
Wir waren gerade fertig, als Wolfgang anhielt und nun auch auf das Treppchen wollte. Doch wie gesagt, da war ja schon alles vorbei, also schickten wir ihn wieder zurück ins Rennen, wo er nun dem Feld hinterherfahren konnte.
Die OBKM dieses Jahr war wirklich eine sehr gute Veranstaltung, immer bei guten Wetter und ich konnte viel über Positionierung und das richtige Sprinten mitnehmen. Ich kann die Teilnahme nur jedem empfehlen. Vorausgesetzt man ist über 50 oder weiblich, denn sonst muss man bei der schnellen Truppe im 30er Feld fahren, wo man nichts lernen kann, außer wie bitter es ist hinten aus dem Feld zu fallen, oder sich auf die Fresse zu legen. Na ja, unter Schmerzen lernt es sich ja auch am besten.
Ich denke für Hannes war es auch interessant, mit welcher Präzision die Rennleitung so ein Rennen duchführt und die Ergebnisse nachhält.
„Wie viel Runden sind jetzt schon um? Kommt jetzt der Sprint?“
„Ich seh nichts, ich hab die falsche Brille auf?“
„Hast Du Dir die Reihenfolge gemerkt im Ziel ?“ „Ich? Ich dachte Du machst das?“
Aber an sich ist das auch egal, denn mit Wolfgang hat der stärkste Fahrer gewonnen. Kai und ich sind etwa gleich stark, aber Kai hat eben an allen sechs Läufen teilgenommen und ich nur an fünf. Alle anderen sechs Teilnehmer waren halt mal nur maximal vier Mal dabei.
Für 2018 wäre zu wünschen, dass es etwas mehr Variation der Strecken gibt, sechs mal in Heilshorn ist schon ein wenig langweilig und vor allem zu weit weg. Es gab ja bereits für dieses Jahr die Idee, in der Nähe der Uni zu fahren, nur waren die Auflagen der Stadt nicht erfüllbar und zudem hat der Kurs direkt hinter dem Start auch eine sehr ungünstige Kurve. Vielleicht hat hier jemand eine Idee für einen guten, ca 1 km langen Rundkurs?
Zwei Tage später machte ich die 10.000 km auf meinem Rad dieses Jahr voll. Ich war mir nicht sicher, ob ich das dieses Jahr wieder im September schaffen würde, denn außer an Lüttich-Bastogne-Lüttich hatte ich an keinem großen Ereignis teilgenommen. Vielleicht war das auch gut so, denn nachdem so etwas vorbei ist, bricht dann regelmässig die Leistung ein und man fragt sich, ob es überhaupt nach Sinn macht Rad zu fahren.
So ist es aber nun einfach die letzten 2.000 km bis Weihnachten zu fahren und somit, wie in den letzten Jahren auf 12.000 km im Jahr zu kommen. Das Velotörn Rennen fahre ich noch, die wunderschöne RTF Lauenau am Wochenende danach und zum Saisonabschluss den Münsterland Giro.
Und dann nur noch zum Spass.
Super Beitrag, hab mich köstlich amüsiert. 👍👍👍