Diesen Herbst habe ich mir zum ersten Mal seit 2011, wieder ein neues Rad gekauft – ein Trek Zektor 3. Wie wird aus einem guten Rad ein sehr gutes Rad für dass, was man nun eben mit diesem Rad machen will?
Ein Rad kommt heute aus einer Fabrik, in der es so kostengünstig wie möglich zusammengebaut wird. Das hat den Vorteil, dass wir für relativ wenig Geld heute ein technisch hochwertiges, qualitativ gutes Fahrrad bekommen und den Nachteil, dass es eben nur eins von tausenden gleichen Rädern ist, das irgendwie mehr oder minder allen passen muss. Wer ein individuelles Rad fahren möchte kann dies tun, in dem er Rahmen und alle Komponenten einzeln auswählt und kauft und somit leicht auf das doppelte der Kosten kommt. Denn die Hersteller bekommen immense Rabatte auf die Komponenten und Arbeitszeit in Fernost ist wenig wert. Die clevere Alternative dazu ist ein fertiges Rad zu kaufen und hier und da etwas zu ändern, denn das ist wesentlich günstiger. Es ist auch nicht nötig dies gleich von Beginn an zu tun, denn ein Rad will gefahren und erfahren werden und viele Dinge kommen erst bei der Benutzung ans Licht.
Das Trek Zektor 3 hatte ich mir gekauft, weil ich gerne eine neue „Edel Winterschlampe“ [EWS] haben wollte, die mein Umberto Dei ersetzt. Was muss eine Edel-Winterschlampe haben und können?
Nun zunächst einmal sollte sie robust und nicht zu teuer sein, damit nicht jedes Mal das große Heulen anfängt, wenn der Rahmen verkratzt wird, oder bei Glatteis hart mit dem Asphalt in Berührung kommt. Es ist immer die Gefahr beim Aufbau eines Rades, dass man emotional durchdreht und viel zu viel gutes daran machen möchte: Hier noch eine periodengerechte Schaltung, doch den Rahmen aus Columbus SLX Geröhr – schnell wird es teuer, die Angst etwas kaputt zu machen wächst, schlimmstenfalls könnte es in der Innenstadt geklaut werden; in der Konsequenz bleibt das Teil in der Vitrine stehen, statt damit durch den Schnee zu pflügen.
Dann muss es funktionell auch in den Herbst und Winter passen. Dazu gehören Schutzbleche, eine gute und praktische Beleuchtung, einfache Komponenten denen Dreck und Nässe nichts anhaben kann und seit neustem auch Scheibenbremsen, deren Bremskraft gerade im Regen deutlich besser ist als die von Felgenbremsen.
Und nicht zuletzt sollte es auch die Grundvoraussetzungen eines Rades erfüllen; es sollte also schnell und wendig sein und gut aussehen. Deshalb muss man beim Kauf bereits ein Rad mit einem vernünftigen Rahmen wählen, denn daran kann man nachher nichts, oder nur durch eine sehr aufwendige Lackierung etwas ändern.
Auf der Trek World in Ulm dieses Jahr hatte ich mich in das Trek Zektor 3 verguckt; ich mochte den Rahmen mit seiner Farbkombination aus graudunkel und Neongrün, dem horizontalen Oberrohr, der schlanken Gabel und dem Preis: €849. Einige Wochen später kam eines im Laden an, das beim Transport leicht beschädigt worden war. Kratzer machen mir nichts, Trek gab noch einmal einen Preisnachlass und es wurde meins. So stand ich nun davor. Mein erster und einziger Alurahmen seit dem Cannondale Bad Boy 2005 und dem Cannondale R1000 CAAD4 von 2000.

Ich weiß, das ist kein Wilier Cento10Air in Azurro Chromovelato. Das ist eine edle Winterschlampe.
Ich hatte außerdem noch nie ein Rad von Trek besessen. Bei meiner Besessenheit ist das vielleicht die letzte Marke, von der ich noch nie ein Rad besessen habe. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens, ich wurde einmal von einem Headhunter gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, Geschäftsführer von Trek Japan zu werden. Klar hatte ich, und wie! Ich ging gut vorbereitet zum Job Interview und fiel voll durch. Das habe ich Trek wirklich eine Zeit lang übel genommen und führte letztendlich dazu, dass ich an einer Hochschule in Bremen strandete. Und zweites, und das ist viel wichtiger, gefällt mir das Design der Trek Räder einfach nicht in dem Moment wo sie neu auf den Markt kommen. Oh wie doof, denke ich da immer. Sehe ich aber so ein Trek Rad fünf oder zehn Jahre später, dann rufe ich: „Tolles Design, eine Ikone seiner Zeit!“. Ein gutes Beispiel dafür ist das Trek 5500OCLV US Postal.
Kaufe ich mir also heute ein Trek Rad, das mir sehr gut gefällt, dann werde ich es in fünf bis zehn Jahren lieben.
Interfacing
Den größten Einfluss auf einen Menschen hat ein Fahrrad in seinem Interface, also dort wo Mensch und Maschine, bzw. Maschine und Strasse zueinander passen müssen: Lenker, Sattel, Pedale und Reifen. Also macht es Sinn dort zuerst zu handeln, beim Zektor musste fast alles getauscht werden.
Der original montierte Bontrager Nebula Sattel passte so gar nicht zu mir. Zum Glück gibt es eine gute und günstige Alternative, lustigerweise von der Cannondale Marke Fabric: der Fabric Scoop Radius Elite, black/neon yellow. Bis vor einigen Jahren wurde dieser Sattel von der britischen Marke Charge als Charge Spoon verkauft; dann wurde Charge von Cannondale aufgekauft und vertreibt unter der eigenen Marke nur noch komplette Räder und ein paar sehr gute Sättel, allen voran den Spoon. Alle anderen ehemaligen Charge Produkte werden, wenn überhaupt, nun unter der Marke Fabric von Cannondale angeboten. Das ist ein wenig schade, denn Charge war eine sehr innovative Marke; wir werden sehen was davon übrig bleibt.
Der Scoop ist nicht nur bequem und sieht schnittig aus, seine neon-gelbe Unterseite passt farblich auch perfekt zum Trek Logo auf dem Unterrohr und der Lackierung des Hinterbaus.
Die Wellgo Pedale am Neurad sind ja ganz nett, aber mir persönlich zu breit. Ich mag schmale, beidseitig fahrbare Pedale, am besten solche, wo ich bei Bedarf die Lager fetten und einstellen kann. Es gibt in der ganzen Welt nur ein einziges Pedal, das all diese Anforderungen erfüllt, zudem gut aussieht und günstig zu kaufen ist. Und an denen man, wenn es sein muss, sogar Pedalhaken montieren kann: Das MKS Stream.
Natürlich kommt MKS (kurz für Mikashima) aus Japan und die Pedale gibt es mit silbernen und schwarzen Stirnplatten. Alle Jubeljahre gibt es auch eloxierte Sondereditionen und seit diesem Jahr auch die Sylvan Touring Next. Ändert nichts, die MKS Stream sind die einzigen Pedale, die ich an meine Räder lasse. Ich besitze auch ein paar Keirin (NJS) Pedale von MKS, die RX-1 und die drehen einfach ohne Ende wenn die einmal angestossen werden. Könnte man einen Generator daran anschliessen, die Energieprobleme der Welt wären gelöst.
Dann der Lenker. Diese Bontrager Satellite Elite Griffe finde ich gut; im Prinzip sind das ergonomische Griffe mit Handballenauflage wie sie viele deutsche Trekking Bikes haben. Durch drehen und ausprobieren findet man die beste Position heraus und dann passt das. Gar nicht ging allerdings die Breite des Lenkers: Ich setzte mich zum ersten Mal auf das Rad, meine linke Hand umfasste den linken Lenkergriff und meine rechte Hand machte sich die nächsten Tage auf, um den rechten Griff zu finden, irgendwo hinter dem Horizont. Das ist ein Rad für die Stadt, liebe Trekkies, und nicht für den Trail. Mit so einem breiten Lenker kann nicht in die Lücke zwischen zwei Autos gesprintet werden, es passt nicht durch die Kellertür und unbequem ist das ganze auch noch. Nach nur einer Viertelstunde Fahrt hatte ich bereits einen Muskelkater wie nach zwei Stunden Body Attack. Also habe ich das Ding auf beiden Seiten um 60 mm gekürzt. Ich hätte gerne noch mehr abgeschnitten, aber der Lenker hat eine 31,8 mm Klemmung im Vorbau und läuft in der Mitte konisch zu. Deswegen können Bremshebel und Schaltung nicht beliebig nach innen versetzt werden. In schmaler passt das ganze nun sehr gut.

Auch dieses Foto ging nur mit einem Weitwinkelobjektiv.
Und zuletzt die Reifen. Montiert waren Bontrager H2 Hard-Case Lite mit reflektierenden Seitenwänden in Größe 700 x 32C. Ein befreundeter Mechaniker, Jeff, erzählte mir einmal von Reifen die sich anfühlen, als wenn sie auf der Strasse kleben bleiben würden; und somit dem Vorwärtsdrang viel Widerstand entgegenstellen. Ich hatte keine Ahnung was er meinte. Bis ich die Bontrager Reifen fuhr: Es war als wenn sich der Reifen in den Asphalt einwühlen würde. Und dann gibt es noch ein weiteres Problem: Bei einem 32er Reifen ist vorne zwischen Gabelkrone und Reifen kaum noch Platz, um ein Schutzblech anzubringen. Da Trek das Rad ja mit einer ganzen Menge von schönen und sinnvollen Ösen für Bleche, Gepäckträger und Ständer ausgestattet hat, wäre es gut gewesen auch mehr Platz über dem Vorderrad zu lassen.
Ich wäre ja gerne weiter 32er Reifen gefahren, aber so ging das nicht. Das macht aber alles nichts, da die perfekten Reifen griffbereit im Keller liegen: Challenge Strada Bianca Pro Open in 700 x 30C und mit Naturflanke. Ich fahre die bereits seit einigen Jahren und hatte erst einen einzigen Platten mit diesen Reifen, die wunderbar leicht rollen und toll aussehen.

Achtung: Reifen sehen toll aus, wenn auf ihnen die italienische Flagge klebt und lassen sich schlecht montieren.
Das ist der Reifen, den man auf eine einsame Insel mitnehmen möchte.
Trotzdem ein Wort der Vorsicht: Wenn der Schlauch gewechselt werden muss, dann am besten den ganzen Reifen von der Felge nehmen, denn der Reifen umschließt den Schlauch fast wie ein Schlauchreifen – ich glaube man nennt das auch „open tubular“. Es ist nicht möglich, den Reifen auf einer Seite von der Felge zu entfernen und dann den Schlauch rauszuziehen. Genauso gut könnte man versuchen, einen Schlauch aus einem Schlauchreifen rauszuziehen. Also, daher damit keine Zeit verschwenden und gleich Reifen und Schlauch gemeinsam von der Felge nehmen. Es macht dann immer noch genug Mühe den Schlauch heraus zu bekommen. Das Ding kommt halt aus Italien und Italiener machen das so.
Nachdem diese kleinen Problemchen gelöst waren, machte das Rad einen sehr guten Eindruck.
Beleuchtung und Schutzbleche
Da es ja hauptsächlich in Bremen im Herbst und Winter, also von September bis Juni, gefahren wird und dann die Nächte lang und dunkel sind und es quasi ständig regnet, schifft, schüttet, gießt, pladdert, oder nieselt musste das Rad unbedingt Bremenfest gemacht werden. Warum kennen wir in Deutschland eigentlich nur so wenige Worte für Regen, wo es doch ständig regnet. Angeblich kennen Eskimos doch hundert verschiedene Wörter für Schnee, weil sie ständig damit zu tun haben. Und Japaner benutzen definitiv sehr viele verschiedene Worte für Regen, wie „五月雨“ – Samidare; Ein Regen der bereits früh im Sommer fällt, oder 細雨, Saiu, ein feiner Sprühregen in der Gegend von Osaka zwischen dem 7. und 18. März; oder 天泣, Tenkyu, ein Regen der unverschämterweise auf die Haare fällt, obwohl sich keine Wolke am Himmel zeigt.
Da ja an dem Vorderrad recht wenig Platz zwischen Reifen und Gabelkrone war, kamen nur Curana C-Lite Schutzbleche in Frage, alle anderen sind zu dick oder zu hässlich. Die Curana sind sehr flach (wenig Platz) und wenig gebogen, was sich an sich schlecht auf die Ableitung von Wasser auswirkt – Jan Heine schreibt darüber ganze Abhandlungen. Aber dafür gehen sie vorne recht weit runter, so dass kein Spritzlappen montiert werden muss und hinten lassen Sie sich ebenfalls mit Streben, einer Brücke und einer sehr schön angebrachten Öse am Tretlager gut befestigen.

Die Befestigungsöse für das Schutzblech ist nur an der linken Kettenstrebe angeschweisst – das spart Gewicht (und sieht sehr cool aus).
Insgesamt schützen die Bleche dann sehr gut, wenn ich mit dem Zektor 3 durch den Regen pflüge – viel besser als die SKS Raceblades, die ja leider hinten nicht bis zur Kettenstrebe, sondern nur bis zur Sattelstrebe reichen und somit einen großen Bereich gar nicht abdecken.
Zwei Löcher in das Schutzblech gebohrt und schon passt ein Batteriebetriebenes Rücklicht darauf. Das ist praktisch, da es nicht einfach entwendet werden kann; aber die Konstruktion ist ein wenig umständlich für das Tauschen von Batterien. Vorne hätte ich gerne einen Nabendynamo von Shutter Prescision und eine Vorderradlampe fest verbaut, aber das erschien mir als zu luxioriös und so helfe ich mir, wie bereits seit Jahren, mit einem ansteckbaren Licht. Das ich ständig verliere, das geklaut wird, kaputt geht…. und trotzdem kaufe ich immer wieder so ein Stecklicht. Ich hatte einmal an meinem Panasonic einen Nabendynamo, aber ich empfinde es echt als Nachteil, ein Laufrad nicht frei drehen zu können, um es zu zentrieren, oder um zu schauen, ob die Scheibenbremse frei dreht.
Bremsen; Antrieb und Schaltung
Bremshebel und Scheibenbremsen sind perfekt, da gab es keinen Grund irgendetwas zu ändern. Die M351 Scheibenbremse ist ja bei weitem nicht das Premiumprodukt von Shimano (Altus Niveau!), aber an dem Trek funktioniert sie leicht, lässt sich gut modulieren, schleift nicht und hat ausreichend Bremskraft. Ganz anders als die Hayes Scheibenbremsen an meinem Bad Boy von 2005, da hat sich doch in den letzten zehn Jahren technologisch einiges getan. Ich habe mir auch deswegen ein Rad mit Scheibenbremsen gekauft, da ich daran glaube, dass sich diese Technologie nun sehr schnell durchsetzen wird und ich einfach mehr praktische Fahr- und Schrauberfahrung mit hydraulischen Scheibenbremsen machen möchte.
Ein Vorteil der M351 ist, dass die Bremsbeläge relativ weit der Bremsscheibe entfernt sind im Vergleich zu den besseren/höherwertigen Systemen, die da sensibler reagieren. Es gibt deutlich mehr Toleranz und es ist daher einfacher das ganze System so einzustellen, dass nichts mehr schleift und quietscht; denn nichts nervt so, wie eine schleifende, oder quietschende Scheibenbremse.
Auf der anderen Seite wurde bei Schaltung und Antrieb fast alles getauscht, aber der Reihe nach: Zuerst einmal kam der Umwerfer vorne weg und somit auch der linke Schalthebel. So wurden aus 2 x 9 Gängen mit vorne 48/32 Zähnen und hinten einer 9-fach Kassette 11/34 1 x 9 Gänge mit einem 48er Blatt vorne. Ehrlich, also warum mehr als neun Gänge in Bremen? Völlig unnötig, das macht die Kiste nur schwer. Bei der verbauten FSA Vero Pro Kurbel sind die beiden Kettenblätter jeweils einzeln an der der Kurbel mit vier Schrauben montiert, so dass es noch nicht einmal notwendig ist die Kettenblattschrauben gegen kürzere auszutauschen – sehr praktisch.
Die Kurbel sitzt klassisch auf einem Vierkantlager. Eine sehr gute Idee, gerade für ein Rad das viel und bei schlechtem Wetter gefahren wird, ist ein Industrie-Vierkantlager die bessere Alternative zu Pressfit – auch wenn letzteres steifer ist. Wird ja immer gesagt. Dann wird die Kraft von den Pedalen besser auf die Strasse gebracht, da die Achse weniger tordiert. OK, das könnte also ein paar Watt sparen, wenn man Maximalkraft auf das Rad bringt.
Hier eine andere Idee dazu: Eine Kurbel, die auf einem Vierkantlager sitzt und dann in Rotation gesetzt wird, ohne dass eine Kette darum liegt, dreht ziemlich lange und lustig vor sich hin. Eine Kurbel die mit einem modernen Pressfitlager verbunden ist und in Rotation versetzt wird dreht gerade einmal eine ganze Umdrehung bevor sie zum Halten kommt. Da ist viel mehr Reibung im Spiel. Diese kann im Gesamtsystem (Kurbel, Kette, Schaltwerk, Kassette) ausgeglichen werden durch den Einsatz von größeren und leichtdrehende Schaltröllchen mit Keramiklager für €459, besonders vorbereiteten Ketten für €135 und Keramik Innenlager für €269 die die Gesamtreibung reduziert wird.
Prima, denn das reduziert auch den Inhalt der Brieftasche, so dass das Gesamtgewicht von Fahrer auf Rad auch noch einmal geringer wird. Nun sind €863 ausgegeben und wir vermutlich wieder bei einem Leistungsverlust wie bei einer Vierkantkurbel. Hätten uns aber für dieses Geld noch ein weiteres Trek Zektor 3 kaufen können.
Kann mir das mal bitte jemand erklären?
Die Kette (KMC X9) blieb dran. Es zeigte sich nun, dass das Schaltverhalten nicht optimal war. Das lag nicht daran, dass das verbaute Shimano Sora RD-3500 9-fach Schaltwerk per se schlecht ist, sondern daran, dass es eine Gesamtkapazität von vorne 48-32=16 Zähne und hinten 34-11= 23 Zähne, also 39 Zähne abdecken muss und daher mit einem langen Käfig ausgestattet ist. Da vorne nur noch einfach gefahren wurde und ich hinten eine 11/23 Kassette montiert hatte (dazu später mehr) müssen ja nur noch 12 statt 39 Zähne geschaltet werden und dafür reicht ein Schaltwerk mit einem kurzen Käfig. Kurzer Käfig = mehr Spannung auf der Kette. Aber welches?
Erstens muss das Schaltwerk in das 9-fach System von Shimano passen, zweitens muss es cool aussehen und drittens darf es nicht teuer sein. Klar, cool wär ein Dura Ace Upgrade, aber auch übertrieben für eine Winterschlampe. Konsequenz: Microshift R10 RD-47S.
Wie viele Menschen habe ich ein Faible für die Kleinen und Schwachen, die „Underdogs“. Wie einfach wäre das Leben als Fan von Bayern München, aber nein, mein Verein ist Bayern München. Und ich hätte mir so gewünscht, dass Bernie Sanders als Kandidat der amerikanischen Demokraten in die Präsidentschaftswahl geht. Ich kaufe mein Zeuch bei ebay und nicht bei Amazon. Und aus dem gleichen Grunde ist mir Microshift sympathisch, weil Sie eine günstige Alternative zu der erdrückenden Allmacht von Shimano bieten.
Das R10 ist Shimano 10-fach und 9-fach kompatibel, was bedeutet das? Die wesentlichen Unterschiede zwischen 9-fach und 10-fach sind:
- Ritzelabstand: 4,34 mm (9-fach) und 3,95 mm (10-fach)
- Ritzeldicke: 1,78 mm und 1,6 mm
- Gesamtbreite: 36,5 mm und 37,2 mm.
- Kette: 1/2 x 11/128 mit 6,6 mm Bolzenlänge; 10-fach Bolzenlänge 5,88 mm.
Es ist also kein Problem ein 10-fach Schaltwerk mit einer 9-fach Kassette zu verwenden, vorausgesetzt, die Indexierung des Schalthebels ist so, dass es sich bei 9-fach bei jedem Schaltschritt um 4,34 mm, und bei 10-fach um 3,95 mm nach innen bewegt. Da das ja funktioniert, ist also lediglich die Indexierung in den Schalthebeln von 9-fach nach 10-fach geändert worden. Also jedes 9-fach Schaltwerk kann mit 10-fach Shiftern und 10-fach Kassette zum 10-fach System, bzw. jedes 10-fach Schaltwerk mit 9-fach Shiftern und 9-fach Kassette zum 9-fach System umgebaut werden. Cool, das endlich zu wissen.
Die 11/23 Kassette ist eigentlich und ehrlich gesagt Luxus pur. Ich finde die original montierte Shimano HG20 mit 11/34 Zähnen erst einmal sehr hässlich und viel zu klobig. Jede Kassette die erstens schwarz ist und zweitens bei der auf dem größten Ritzel „Shimano“ in weiß gedruckt ist, ist der Definition hässlich und darf nicht gefahren werden Punkt. Eine komplett silberne Shimano Kassette 11/23 sieht hingegen elegant und stimmig aus und verbreitet ein Image von Sportlichkeit. Deshalb heisst so ein Ding „Maiskolben“.
Ich fahre typischerweise 48/17 im Straßenverkehr in der Stadt, das ist eine gute Kombination um schnell anzufahren und doch flott unterwegs zu sein. Auf einer 11/23 Kassette ist das 17er Ritzel das 6. von außen; was gut für die Kettenlinie ist und mir die Möglichkeit gibt in feinen Schritten noch in niedrigere oder höhere Gänge zu gehen. Auf einer 11/34 Kassette ist es das 4. Ritzel von außen, da gibt es nur drei Gänge die höher sind. Wenn also die riesigen Ritzel nicht gebraucht werden (Bremen!), dann ist eine feine Abstimmung besser für den Komfort. Mit dem Rapid Fire Schalthebel lassen sich auch zwei Gänge in einem Schritt gut schalten, was ebenfalls für eine feine Abstimmung spricht.

Maiskolben links, Chop Suey rechts.
Zubehör
Stimmt, ich habe noch eine Klingel montiert. Aber keinen Ständer. Ständer sind uncool. Das Trek Zektor 3 hat wirklich eine großartige Anzahl von Ösen, an denen man noch etwas an das Rad schrauben kann (Flachenhalter, Schutzbleche, Gepäckträger, Ständer) aber ich will nicht mehr. Übrigens: Trek hat den Rahmen sogar für Riemenantrieb vorbereitet, auf der rechten Seite kann das Rahmendreieck geöffnet werden.

An der schwarzen Schraube am Ausfallende kann das hintere Rahmendreieck geöffnet werden. Ganz rechts an der linken Kettenstrebe: Duo Trap
Und dann kann auch noch Trek-spezifisches Zubehör integriert werden. Trek hat einen sogenannten „Blendr“ Vorbau verbaut, an dem ein Adapter befestigt werden kann, um daran wiederum eine Lampe, einen Tacho, eine Go-Pro, einen Garmin oder sonst etwas zu befestigen. In der linken Kettenstrebe ist eine Duo-Strap Offnung und dort kann ein Geschwindigkeitssensor von Trek eingebaut werden. Das sind im Prinzip alles sehr gute Ideen.
Trek macht es einem leider nicht einfach dies zu verstehen. Ich musste ganz schön auf den Trek Webseiten recherchieren, bis ich das verstanden hatte. Und ich finde das auch sehr teuer; sagen wir mal ich möchte gerne eine Lampe und einen Tacho vorne anbauen, dann brauche ich:
- Eine Blendr Duo Base, damit ich zwei Dinge montieren kann für € 20
- Einen „Mount“ für die Lampe ebenfalls für €20
- Und natürlich und endlich eine Lampe von Trek für € 25 – und das ist die günstigste
- Schließlich brauche ich einen Mount für den Tacho für €5
- Den Tacho von Trek selber für €63 (muss ANT+ kompatibel sein)
- Und den Sensor dazu, der in die linke Kettenstrebe eingebaut wird und Geschwindigkeit und Trittfrequenz misst für weitere €50
Und dann habe ich an meinem Rad einen Tacho und ein Vorderlicht integriert – für ein Rücklicht gibt es nach wie vor keine integrierte Lösung. Dabei bin ich €183 ärmer geworden. Jetzt sind wir langsam bei einem Garmin 520 plus Chinaböller.
Das geht so nicht. Stattdessen habe ich eine weitere Halterung und einen Sensor für meinen Cicloport Tacho drangebaut, den ich auf allen meinen Rädern verwende, und einen Chinaböller gekauft. Kosten €25.
Ehrlich, ich bin ein großer Verfechter von Integration, aber es darf nicht 7 Mal so teuer werden.
Fahreindruck
Die Erwartungshaltung an eine Winterschlampe darf nicht so riesig groß sein, gerade was Beschleunigung und Schnelligkeit angeht, denn das ist ja kein leichtes Rennrad von 7 kg Gewicht, mit dem man durch die Stadt flitzt, sondern ein solider Trecker, der Bordsteinkanten und Straßenbahnschienen locker überfährt. Während ich mit einem guten Rennrad locker in Alltagskleidung 30 km/hr über eine längere Strecke fahren kann, ist es bei dem Trek Zektor deutlich schwieriger, das Teil auf Geschwindigkeit zu bringen und diese zu halten. Nach ein paar hundert Kilometern würde ich sagen, dass ist ein Rad, dass sich so etwa mit 26/27 km/hr im Alltag bewegen lässt, also etwa 10-15% weniger schnell als ein Rennrad. Das liegt vor allem am Gewicht, denn so wie es jetzt ist, wiegt das Rad 11,3 kg und alleine die Laufräder sind mit allem Drum und Dran 3,9 kg schwer und dann auch an der aufrechteren Sitzhaltung – das ist weniger aerodynamisch. Auf jeden Fall war es gut, das Rad mit der 11/23 Kassette auszurüsten, denn mit mehr Schaltvorgängen über die gesamte Abstufung der Kassette, lässt sich besser beschleunigen.
Trek gibt 11,5 kg für das Rad Größe M (= 53 cm) an, mein Rad Größe XL wiegt nach dem Umbau nur noch 11,3 kg. Das liegt in erster Linie an dem Gewichtsverlust durch Reifenwechsel (Ein Paar Bontrager 1480 Gramm, Challenge 700 Gramm) und Demontage des Umwerfers plus kleinere Kassette auf der einen Seite, und der Zunahme durch Montage von Schutzblechen und Beleuchtung auf der anderen Seite.
Auf der Strasse vor meiner Wohnung gibt es eine Geschwindigkeitsanzeige für Autos un der ich die Maximalgeschwindigkeit nach ca. 250 Meter Beschleunigungsstrecke ablesen kann. Wenn ich richtig gut in Form bin und in den entsprechenden Klamotten, schaffe ich da mit meinem Canyon maximal 52 km/hr. Mit dem Trek Zektor komme ich auf 44 km/hr.
Und dann liegt es am Rahmen, denn ich musste ja unbedingt einen 61er Rahmen kaufen – der nächstkleinere war ein 56er und das erschien mir zu klein. Dadurch hat das Rad etwas sehr wuchtiges, also wie eine schwere Kugel, die man erst einmal anschieben muss, bevor sie rollt und rollt und rollt.
Mit der Zeit habe ich ich gut an dieses Fahrverhalten gewöhnt und es stört mich nun nicht weiter. Der große Vorteil ist halt, dass das Rad sehr stabil auf der Strasse liegt und sehr steif ist. Ich habe da eine „Testkurve“ an der ich prüfen kann, wie schnell ich mit einem Rad durch sie fahren kann, das ist ein Maß für die Fahrstabilität. Carbon-Rennräder und auch das Trek kann ich mit 30 km/hr und mehr dadurch bewegen, aber bei manchen Stahlrahmen wird es schon bei 28 km/hr sehr zittrig.
Und Dank der 700x30c Reifen fährt das Trek auch gut über alle Unebenheiten, die Bremen so zu bieten hat. Dabei bleibt es stabil in Fahrtrichtung – es ist eben eine schwere Kugel, das hatte ich ja bereits geschrieben.
Bei dem Trek kommen mir auch Erinnerung an alte Alurahmen hoch, die ich gefahren bin – die sind schon einmal wenig komfortabel und hart. Am härtesten was das Cevelo Soloist, damit war es fast unmöglich über Kopfsteinpflaster im Viertel zu fahren. ODer einmal bin ich unvorbereitet in ein Schlagloch gefahren und es hat mir eine Hand vom Lenker gehauen, so stark war der Impact.
Lars, mit dem ich auf Mallorca war, fährt zuhause ein Cannondale CAAD Rennrad mit Alurahmen. Auf Malle ist mir aufgefallen als ich hinter ihm gefahren bin, dass er sehr häufig aufhört zu treten, wenn er eine Unebenheit auf der Strasse vor ihm bemerkt. Mit einem federnden Carbonrahmen kann man oft einfach darüber hinwegtreten, bei einem Alurahmen tut das irgendwie weh. Beim radeln mit dem Trek merke ich, dass ich unwillkürlich wieder aufhöre zu treten. Das ist der Alueffekt der steifen Alugabel. Vermutlich könnte das mit einer Carbongabel gelöst werden; aber das macht das Rad teuer und als Umbau ist das nicht finanzierbar. Obwohl, wenn ich darüber nachdenke, sowohl mein altes Cannondale CAAD5 als auch das Cervelo hatten bereits Carbongabeln und trotzdem waren die recht unbequem. Das Badboy hatte ja sogar eine Vorderradfederung.
Insgesamt habe ich meinen Spaß mit dem Trek, vor allem bei nasser Witterung und in der Dunkelheit ist es eines der besten Räder, die ich je gefahren bin. Schutzbleche, Beleuchtung und Scheibenbremsen tragen dazu bei, dass das Fahren auch im Herbst und Winter Spaß macht und nicht zur Strafe wird.
Fazit
Ein guter Kauf. Und ein noch besserer Umbau mit dem Rad nun seinen Zweck weitaus besser erfüllt als in der „Frisch-aus-.der-Fabrik“ Version. Vielleicht ist das noch nicht das Optimum und weitere Jahre auf dem Rad werden zu weiteren Umbaute führen. Einige werden bleiben, andere wieder rückgängig gemacht werden, und insgesamt wird dieses Rad immer besser werden.
Die tatsächlichen Kosten für die Umbauten bislang, also ohne das Material, das ich ohnehin im Keller gehabt habe, lagen bei etwa €100 – das ist nicht zu viel für das was daraus geworden ist.
Dieser Post ist sehr lang geworden, weil es mir wichtig war die vielen Ideen und Gedanken zu erläutern die hinter diesem Umbau stehen. Vermutlich werden das deshlab nur sehr wenige zu Ende lesen. einige von denen, die es tun, wird dieser Post ein paar gute Anregungen geben, wie sie selber an einen Umbau herangehen können. Gerade die Idee zunächst an den Interfaces zu arbeiten finde ich sehr wichtig.
Und da dieses Trek seiner Zeit mindestens fünf Jahre voraus ist, wird es nicht nur immer besser, sondern auch immer schöner werden. Ich freue mich schon darauf.
Interessant zu lesen, schöner Beitrag!
Cool, danke. Das ist ja so, dass so lange Beiträge auch Zeit brauchen gelesen zu werden – hat nicht jeder.
Das Einfach-Kettenblat finde ich gut. Seit 2013. Inzwischen hat der Markt auch einen Namen gefunden dafür 😉
Und ich steh‘ ja auf so Schlampen für alles. Schöner Umbau!
Gruß, svenski.
„Slicks“ im Winter?! Nicht nur, dass es in Bremen keine Huegel gibt; es gibt wohl auch keinen Schnee und Eis. 🙂
Gegen Schnee und Eis helfen nur Spikes, Profil hingegen nur bei Matsch. Auf der Straße ohne Schnee oder Eis – kein (oder minimalstes) Profil.
Schöner Beitrag, viele gute Gedanken.
Danke. Leider wurde mir das Rad recht schnell im Februar letzten Jahres gestohlen. Na ja, ich besitze ja nun einen Radladen, da ist es nicht so schwierig gleichwertigen Ersatz zu bekommen, aber nach der ganzen Denk- und Umbauarbeit ist es schon ein wenig schade.