Vollmundig hatte ich in der Woche den ersten 100km Ausritt des Jahres angekündigt.
Ich wachte am Samstag morgen auf, der Himmel war blau und es gab keine Entschuldigung mehr. Hm, 52:16 Übersetzung auf dem Fixie über 100km – ob das wohl gut geht? Also los, auf zum Treffpunkt am Kiosk „Zur gelben Gefahr“. Was das kennt keiner? Das ist der Radsporttreff an der Ecke Schwachhauser Heerstraße/Scharnhorststrasse. Seit 1928 treffen sich hier bremische Radsportfreunde um vor der Ausfahrt noch schnell einen zu heben oder gleich da zu bleiben.
http://maps.google.de/maps?f=q&source=embed&hl=de&q=Scharnhorststra%C3%9Fe,+28211+Bremen&aq=&sll=53.159072,8.676453&sspn=0.038907,0.077162&ie=UTF8&geocode=FRoJKgMdeiuHAA&split=0&hq=&hnear=Scharnhorststra%C3%9Fe,+28211+Bremen&ll=53.090004,8.862815&spn=0.004871,0.009645&t=m&z=14&layer=c&cbll=53.090004,8.862815&panoid=85SYT9FVw-YQ1Nzf2r55BQ&cbp=12,240.03,,1,12.31&output=svembed
Größere Kartenansicht
Ich hatte überhaupt keine Plan wohin ich eigentlich fahren wollte, was Erfahrungsgemäß die besten Voraussetzungen für spannende Touren sind. Keine guten Voraussetzungen für eine lange Tour ist es aber den Helm zuhause zu lassen. Das machte mich etwas nervös und weniger risikobereit. Also zunächst einmal am Focke Museum vorbrei (Gähn) Richtung Horner Freibad, wo bereits die erste Bremer Bergprüfung auf dem Programm stand. Ein mörderischer Sprint vorbei an Fußgängern und Aluradfahrer hoch zum Col d’autobahnbrücke und dann mit viel Schwung und 37 Sachen auf der anderen Seite runter.
Weiter ging es auf den Deich und entlang der Wümme Richtung Kuhsiel und Dammsiel. Der Wind bließ schön von hinten und so dachte ich, aaß ich vielleicht die ganze Zeit nur nach Norden fahren sollte, vielleicht sogar bis zum legendären Fickmühlen? Aber dann mitd em Zug zurück macht keinen Spaß, kostet Geld und dauert, also erst einmal weiter Richtung Ritterhude und dann diesen Megaberg auf der L151 hoch zur B74. Eine der schlimmsten und brutalsten Steigungen in Bremen überhaupt, so sich die Spreu vom Weizen und Appelkorn trennt. Man war ich fertig, als ich nach ca 27 Sekunden endlich oben war.
Vor einiger Zeit, auf einer Tour vom Weserexpress, bin ich dann ein paar Hundert Meter weiter die Straße nach links abgebogen, Richtung Lesumstotel. Hm, das wollte ich noch mal machen, kam dann aber auf die sinnige Idee das Abenteuer noch weiter auszubauen und in die Stoteler Waldstraße einzubiegen. Ist da schon mal jemand gefahren? vermutlich nicht. Noch nicht einmal das Google Streetview Fahrzeug hat es dahin geschafft. Übelstes Kopfsteinpflaster, vermutlich aus der Zeit des Rückzuges deutscher Truppen aus Ostpreußen. Quasi die Wilhelm Gustloff auf Land. Könnte auch eine römische Herrstraße gewesen sein. Nach zwei Kilometer war so ziemlich alles losvibriert am Rad, was es zu vibrieren gab und unwiderstehlicher harndrang setze ein. Zum Glück kam dann wieder eine fahrbare Straße Richtung Heilshorn. Auf dem Radweg fuhr ein Skater mit Kopfhörern. Mann sind die lhm, die schleichen ja so mit 20 – 25 km/hr durch die Gegend. Und braucen die gesamte Breite des Weges. Und hören dabei vermutlich Adele und träumen vor sich hin, so dass die mein Dauergebimmel nicht hören. Bis ich den überholt hatte – so was versaut einem ja den ganzen Schnitt!
Dann weiter an Faun und Hansafrost (Achtung: Fabrik Eisverkauf hier) nach Schwanewede und Neuenkirchen. Vorebei an my blöoody valentine in Frage bis zum Kraftwerk und dort auf die Fähre über die Weser gewartet. Ich mag das wirklich sehr einmal auf einer Tour über die Weser zu setzen, bislang habe ich das aber immer in Vegesack gemacht.
Dann ging es weiter entlang der Weser auf der Deichstraße der linken Seite (also falschen Seite) durch illustre Dörfer wie „Ritzenbüttel“, Lemwerder und, mein Favorit „Motzen“ (Dortmotto: „1000 Jahre Motzen“). Von der Weser sieht man da übrigens nichts, da die Straße hinter dem Deich verläuft und relativ trostlos ist. Irgendwann kommt man dann, nach einer dicken Prise Gegenwind, wieder nach Bremen rein, da wie die dicken BLG Lager für Daimler sind. Und dann weiter durch beautiful Wolmershausen bis zur Becksbrücke (Stephanbrücke). Warum da eigentlich keine Fixiefahrer rumhängen ist mir unbegreiflich. Nahe der Innenstadt! Überdacht! Jede Menge bunte Graffities! Was wil man mehr?
Damit die 100km voll wurden weiter in den Bürgerpark, durch den Bürgerpark zur Munte (uncooler Radfahertreff für Jedermann) und dann wieter zum Platzhirschen und noch einmal eine schwere Bergprüfung über die Autobahn. Ui, da zogen aber jetzt die Beine wie Hechtsuppe.
Dann allerdings gab es ein interessantes Phänomen, das weiterer Erläuterung bedarf: Das Zeigen von Frohsinn ist nicht Sache des Norddeutschen. Rumquietschen, albern und große Sprüche kloppen, also das tägliche Brot des Rheinländers findet er albern. Trotzdem, ab und an muss es raus, da fordert die menschliche Natur ihr Recht. Andere Leuten gehen dann zum lachen in den Keller, nicht so der Bremer. Er schnappt sich einen Bollerwagen, lädt den mit harten Alkoholika, vielen grünen Becksflaschen und minderwertigen Nahrungsmitteln voll und zieht mit seinen Freunden in die Wümmewiesen. Denn da wird er beim froh sein nicht von anderen beobachtet. Um jegwelches Risiko auszuschliessen werden diese Ausflüge unternommen, wenn es draußen besonder garstig ist, also im Januar im Eisregen oder bei Orkanen und Hagelschauern. Dann wird gelacht und der gemeine Bremer fühlt sich dann wie Kaiser Nero nachdem er Rom angezündet hat und sich das Feuerchen vom Balkon seines Palastes ansieht und an seiem Glas Prosecco nippelt.
Leider ist es heutzutage so, dass die Jugend auch nicht mehr ist, was sie einmal war. Nämlich als wir noch Teil von ihr waren. Die Jugend heute geht mit dem Bollerwagen bei 6 Grad Plus raus – darunter stand früher lebenslanges Frohsinnsverbot. Geschämt hätte man sich mit dem Bollerwagen loszuziehen und peinlich hätte es werden können angesichts der zahlreichen Passanten.
Lange Rede, kurzer Sinn, die Wümmewiesen waren verstopft mit Bollerwagen, Lachleuten und Nettmenschen um mich herum. rgendwann war ich aber dann doch zuhause und hatte den ersten 100km Ritt des Jahres in der Tasche.
Meine Familie interessierte da wenig. Ich konnte ihnen aber dennoch von Nutzen sein, indem ich meinen Kindern erklärte, wie man in den Tropen überleben kann. Das ist eigentlich ganz einfach: Man sucht sich eine Kokusnuß und dann braucht man nur noch eine Schlagbohrmaschine, bohrt zwei Löcher rein und trinkt die Kokosnussmilch. Fertig. Robinson Crusoe hat das 20 Jahre lang so gemacht.
Nächste Woche ib in ich in London und hoffe, aß ich Zeit haben werde mir den Olympic Park anzusehen, insbesondere das Velodrame. Das Rad muß leider zuhause bleiben, aber vielleicht leiht mir einer meiner Londoner Freunde ja eins zum rumfahren.
Ansonsten bis bald.